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Arbeitsmarkt Lesezeit 3 Min.

Rente: Regel mit zu vielen Ausnahmen

Um dem demografischen Wandel auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen bis zum gesetzlichen Renteneintritt oder darüber hinaus arbeiten. Der Staat ist gefragt, Fehlanreize für einen vorzeitigen Renteneintritt abzuschaffen und gleichzeitig Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus zu fördern.

Kernaussagen in Kürze:
  • Angesichts des sich zuspitzenden demografischen Wandels ist es dringend nötig, in der Rentenpolitik einen anderen Kurs einzuschlagen.
  • Die Regelaltersgrenze sollte nicht nur wie aktuell geplant bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre, sondern darüber hinaus bei steigender Lebenserwartung angehoben werden.
  • Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ sollte abgeschafft werden, weil sie gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstößt. Zudem sollten die Abschläge bei einem vorzeitigen Renteneintritt steigen.
Zur detaillierten Fassung

Den obligatorischen Kuchen zum Abschied in den Ruhestand wird es in deutschen Büros und Werkshallen in nächster Zeit häufiger geben: In den kommenden zehn Jahren überschreiten mehr als 13 Millionen Menschen das Alter von 65 Jahren. Da zeitgleich nicht genug junge Menschen in den Arbeitsmarkt kommen, steht Deutschland vor einem riesigen Problem.

Dieses Problem lässt sich nicht mit einer Maßnahme allein lösen, sondern nur mit einer ganzen Reihe. Qualifizierte Zuwanderung ist ein wichtiger Faktor, ebenso die Weiterbildung und Qualifizierung von Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen.

Ein weiterer Hebel liegt darin, ältere Erwerbstätige länger im Berufsleben zu halten. Wie groß das Potenzial ist, zeigen Daten des Statistischen Bundesamts (Grafik):

2023 waren rund 83 Prozent der 55- bis 59-Jährigen in Deutschland erwerbstätig, aber nur gut 65 Prozent der 60- bis 64-Jährigen.

Anteil der Erwerbstätigen an der gleichaltrigen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2023 in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ein großer Teil der Beschäftigten geht demnach vorzeitig in Rente. Die Motive für diesen Schritt hat das IW in seiner Beschäftigtenbefragung 2024 untersucht. Demnach gibt es zunächst einmal eine größere Diskrepanz bei den Befragten zwischen arbeiten können und arbeiten wollen (Grafik):

Von den Beschäftigten im Alter von 50 bis unter 66 Jahren fühlen sich 62 Prozent sehr wohl in der Lage, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. So lange tätig sein wollen allerdings nur 55 Prozent.

So viel Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Alter von 50 bis unter 66 Jahren blicken so auf ihren Renteneintritt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Wichtigste Grundlage für die Entscheidung, vorzeitig in Rente zu gehen, ist die individuelle finanzielle Situation. So nennen 62 Prozent der älteren Arbeitnehmer einen gesicherten Lebensstandard im Alter als starkes Motiv. Rund die Hälfte von ihnen (54 Prozent) – Mehrfachnennungen waren in der Befragung möglich – sehnt sich nach mehr Freizeit.

Angesichts des sich zuspitzenden demografischen Wandels und des Wissens um die gesellschaftliche Haltung ist es dringend nötig, in der Rentenpolitik einen anderen Kurs einzuschlagen.

Ein aus politischer Sicht sehr relevantes Motiv landet auf Platz drei: Für gut die Hälfte der Beschäftigten im Alter von 50 bis unter 66 Jahren ist der Zeitpunkt für die Rente nah, wenn sie aus ihrer Sicht genug geleistet haben.

Trotz der angespannten Situation der Rentenkassen haben der vorzeitige Ausstieg aus dem Berufsleben in Deutschland und die Ansicht, genug geleistet zu haben, gesellschaftlich einen großen Rückhalt. Diese Denkweise hat die Bundespolitik zudem durch die „Rente mit 63“ untermauert.

Reformansätze für die Rentenpolitik

Angesichts des sich zuspitzenden demografischen Wandels und des Wissens um die gesellschaftliche Haltung ist es dringend nötig, in der Rentenpolitik einen anderen Kurs einzuschlagen. Das IW hat dazu eine Reihe von Vorschlägen:

Regelaltersgrenze anheben. Die Regelaltersgrenze sollte nicht nur wie aktuell geplant bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre, sondern darüber hinaus bei steigender Lebenserwartung angehoben werden. Eine Option: Sollte die Lebenserwartung der Deutschen um ein Jahr steigen, führt das zu einem um acht Monate späteren Renteneintritt.

Abschläge anpassen. Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ für Beschäftigte mit 45 Versicherungsjahren verstößt gegen das Gleichbehandlungsprinzip und geht zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung und ihrer Beitragszahler. Außerdem setzt die Regelung Anreize für ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Sie gehört daher abgeschafft. Gleichzeitig sollten die Abschläge bei einem vorzeitigen Renteneintritt steigen, wenn Beschäftigte möglichst bis zur Regelaltersgrenze arbeiten sollen.

Parallelbezug verhindern. Rente ersetzt Arbeitseinkommen – das ist die Grundidee. Durch die weggefallene Hinzuverdienstgrenze für Frührentner wird dieses Prinzip konterkariert. Zusätzlich wird eine vorzeitige Rente mit Abschlägen bei gleichzeitig verringerter Arbeitszeit im Hinzuverdienst attraktiver. Eine eng definierte Hinzuverdienstgrenze bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze wäre daher sinnvoll.

Sicherungsniveau senken. Das Festschreiben des Sicherungsniveaus auf 48 Prozent, wie es das Rentenpaket II vorsieht, würde die Rentenanpassungsformel außer Kraft setzen. Die Folge: Für die Zusatzkosten, die die Demografie im Rentensystem verursacht, müssten allein die Beitragszahler aufkommen. Das gilt es zu verhindern. Zwar sinkt das Sicherungsniveau dann langfristig. Das aber braucht es, um die zusätzlichen Lasten fair zwischen Rentenempfängern und Beitragszahlern aufzuteilen.

Vorbeschäftigungsverbot abschaffen. Wer das Unternehmen verlässt, darf im selbigen nicht wieder einen sachgrundlos befristeten Vertrag erhalten. Dieses Prinzip ergibt für arbeitswillige Rentner aber wenig Sinn, denn es beschränkt Firmen darin, Menschen aus dem Ruhestand zurückzuholen. Die Wachstumsinitiative der gescheiterten Ampelregierung sah daher richtigerweise vor, die Regel anzupassen. Das sollte zwingend umgesetzt werden.

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