Rentable Bettchen
Immer mehr Unternehmen in Deutschland gründen eigene Kindertagesstätten und Kindergärten. Dass sich eine Betriebs-Kita finanziell sogar rechnen kann, zeigt eine Studie am Beispiel des Chemieunternehmens BASF.
- Immer mehr Unternehmen in Deutschland gründen eigene Kindertagesstätten und Kindergärten.
- Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags unterstützt jedes dritte Unternehmen seine Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung.
- Insgesamt entstehen jährliche Erträge von mehr als 1,6 Millionen Euro, wenn alle Plätze der BASF-Kindertagesstätte genutzt werden.
Manche Betriebe übernehmen einen Teil der Kindergartenkosten, einige organisieren Belegplätze in Kitas und wieder andere kaufen Kinderbettchen und stellen Erzieherinnen ein: Das Spektrum, wie Unternehmen ihren Mitarbeitern bei der Kinderbetreuung unter die Arme greifen, ist groß. Und es ist ein Thema, das viele Firmen beschäftigt:
Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags unterstützt jedes dritte Unternehmen seine Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung.
Dabei investieren mehr und mehr Unternehmen in die eigene betriebliche Kinderbetreuung. Seit 2007 hat sich die Zahl der Tageseinrichtungen in Deutschland, in denen vorwiegend Kinder von Betriebsangehörigen untergebracht sind, auf rund 600 nahezu verdoppelt (Grafik).
Dass ein Betriebskindergarten nicht nur das Unternehmensimage aufpoliert und die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht, zeigt nun eine Studie des Centrums für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg. Sie hat die finanziellen Erträge einer solchen Einrichtung bei BASF in Ludwigshafen ermittelt. Demzufolge ist die BASF-Betriebs-Kita, die Platz für 60 Mitarbeiterkinder bietet, eine lohnende Investition (Grafik):
Insgesamt entstehen jährliche Erträge von mehr als 1,6 Millionen Euro, wenn alle Plätze der BASF-Kindertagesstätte genutzt werden.
Am meisten profitiert der Staat, der in diesem Fall nur 6 Prozent der Gesamtkosten trägt: Pro eingesetzten Euro fließen an die öffentliche Hand fast 6 Euro zurück, weil durch die schnellere Rückkehr der Eltern an ihren Arbeitsplatz niedrigere Ausgaben für das Elterngeld fällig werden sowie zusätzliche Steuern und Sozialabgaben anfallen.
Doch auch für das Unternehmen selbst lohnt sich die Investition: So haben sich die Babypausen der Mitarbeiter, die die Betriebs-Kita nutzen, im Vergleich zu den Mitarbeitern, die ihren Nachwuchs anderweitig betreuen ließen, um durchschnittlich drei Monate verkürzt – allein das beschert BASF einen Vorteil von rund 760.000 Euro pro Jahr.
Hinzu kommen weitere Erträge für das Chemieunternehmen durch weniger kurzfristige Abwesenheiten sowie geringere Wiedereingliederungskosten der Eltern. Obwohl das Unternehmen rund 77 Prozent der Gesamtkosten der Betriebs-Kita schultert, rentiert sich das Engagement für BASF unter dem Strich.
Und auch die Mitarbeiter erzielen einen finanziellen Vorteil, wenn sie ihre Kinder der betrieblichen Betreuung anvertrauen. Elternteile, die ihr Kind in der BASF-Kita betreuen lassen, verdienen durch die frühere Rückkehr an den Arbeitsplatz für die Dauer der Betreuungszeit im Schnitt gut 8.500 Euro mehr als Kollegen, die andere Möglichkeiten nutzen, um ihren gleichaltrigen Nachwuchs während der Arbeitszeit zu versorgen.
„Wir machen Miese – aber es rechnet sich“
Die Kirchhoff-Gruppe betreibt am Standort Attendorn in Südwestfalen seit 2011 eine Betriebs-Kindertagesstätte direkt neben dem Werksgelände. Der geschäftsführende Gesellschafter, Arndt G. Kirchhoff, der auch Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ist, erzählt, warum er 32 Mitarbeiterkindern zwischen sechs Monaten und sechs Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt.
Herr Kirchhoff, warum stellen Sie Kita-Plätze bereit? Das ist doch eigentlich eine staatliche Aufgabe.
Das ist die Frage, ob der Staat alles machen muss - vor allem, wenn man bedenkt, dass man sich als Unternehmer im Wettkampf um die besten Köpfe befindet. Angesichts der demografischen Entwicklung achten wir verstärkt auf unsere personellen Ressourcen, und wenn man die Teilnahme von Frauen am Arbeitsleben – auch in Führungspositionen – erhöhen will, dann landet man ganz schnell bei Einrichtungen wie einem Betriebskindergarten.
War der Betriebskindergarten also Ihre Idee?
Wir haben natürlich die Belegschaft gefragt, was sie davon hält, aber die Initialzündung kam von der Geschäftsführung. Die Idee, ob wir irgendwo auf unserem Areal einen Betriebskindergarten unterbekommen, hatten wir schon vor über zehn Jahren. Aber erst, als sich die Gelegenheit ergab, ein Wohnhaus mit Garten zu kaufen, das direkt an das Firmengelände angrenzt, haben wir das auch umgesetzt. Das war schon ein recht langer Prozess, bis wir das alles so hingekriegt haben.
Was gab es vorher schon an familienfreundlichen Maßnahmen in Ihrem Unternehmen?
Wir haben uns immer schon um unsere Mitarbeiter gekümmert, wenn sie Hilfe brauchten. Wenn jemand aus beruflichen Gründen umziehen muss, bezahlen wir nicht nur dem Umzug, sondern helfen auch bei der Wohnungssuche. Wir schaffen Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche und bieten flexible Arbeitszeitmodelle an. Über 80 Prozent unserer Mitarbeiter würden unsere Firma Bekannten als familienfreundlichen Betrieb empfehlen. Nur so eine Art Kindergarten für Ältere, den haben wir noch nicht.
In Attendorn gibt es keinen Mangel an Kindergartenplätzen. Warum haben Sie dennoch ein zusätzliches Betreuungsangebot geschaffen?
Ja, es gibt genug Kita-Plätze in Attendorn, aber unser Kindergarten ist besser! Wir bieten eine bilinguale Betreuung, wir beschäftigen auch Kindergärtner, wir haben eine hervorragende Betreuungsrelation und unsere Öffnungszeiten sind sehr flexibel. Wer Schicht arbeitet, kann sein Kind schon um 5.30 Uhr in der Betriebs-Kita abgeben, geschlossen wird der Kindergarten erst, wenn das letzte Kind abgeholt worden ist.Außerdem verlangen wir keine Monatspauschale von den Eltern, sondern wir berechnen nur die Zeit, die das Kind tatsächlich in der Kita ist. Obwohl wir keine staatlichen Zuschüsse zum laufenden Betrieb erhalten, sind unsere Gebühren genau so gestaffelt wie die der bezuschussten Kindergärten in Attendorn: Wer viel verdient, zahlt mehr, wer wenig verdient, zahlt gar nichts für den Kitaplatz.
Klingt paradiesisch. Wie groß ist die Nachfrage?
Ursprünglich wollten wir etwa 15 Plätze anbieten, doch der Bedarf ist viel höher, als wir dachten, so dass wir schnell erweitert haben. Aktuell haben wir 32 Kinder bei den KICO KIDS, darunter fünf betriebsfremde. Zehn der 32 Kinder sind noch keine drei Jahre alt.
Abgesehen von staatlichen Zuschüssen, die Sie für den Bau erhalten haben, kommt Ihre Betriebs-Kita ohne Steuergelder aus. Rechnet sich Ihr Engagement?
Das ist natürlich ein Zuschussbetrieb, wir machen Miese, trotzdem rechnet es sich: Denn wenn ich einen Mitarbeiter verliere, weil er oder sie sich nicht vernünftig um das Kind kümmern kann, kostet die Neubesetzung dieser Stelle von der Personalsuche bis zur Einarbeitung schnell 50.000 Euro. Unter diesem Aspekt rechnet sich ein Betriebskindergarten relativ schnell, denn wir haben praktisch keine Fluktuation in unserem Betrieb.
Dann werden Sie also auch an anderen Standorten Betriebskindergärten eröffnen?
In Polen wird sehr genau beobachtet, was wir hier machen, aber die Krippensituation ist dort sehr gut, so dass es derzeit keine Notwendigkeit gibt, einen Betriebskindergarten zu eröffnen. Dasselbe gilt für unsere anderen ausländischen Standorte. In Iserlohn dagegen wird es wahrscheinlich demnächst eine Kirchhoff-Kita geben.