Nur mit der Lupe zu finden
Gerade einmal jeder dritte Selbstständige ist weiblich. Zuletzt hat die Zahl der Unternehmerinnen sogar wieder leicht abgenommen. Und Frauen, die Industriebetriebe führen, muss man ohnehin fast schon mit der Lupe suchen.
- Absolut gesehen hat die Zahl der weiblichen Selbstständigen von 2011 bis 2014 um 35.000 auf 1,36 Millionen abgenommen.
- Im Produzierenden Gewerbe gibt es lediglich 79.000 weibliche Selbstständige.
- Der Anteil der selbstständigen Frauen an allen weiblichen Erwerbstätigen betrug zuletzt 7,3 Prozent.
Die Wiedervereinigung hat in Deutschland den Trend zur Selbstständigkeit befeuert – bei Frauen wie Männern. Waren zu Beginn der 1990er Jahre nur 5 Prozent der erwerbstätigen Frauen ihre eigene Chefin, betrug die Selbstständigenquote zu Beginn des neuen Jahrtausends immerhin nahezu 7 Prozent (Grafik). Bei den Männern legte der entsprechende Anteil um 2 Prozentpunkte zu. Zum größten Teil dürfte dieser Zuwachs dem Nachholbedarf in den neuen Bundesländern geschuldet sein.
Ab dem Jahr 2003 taten staatliche Förderprogramme wie die „Ich-AG“ und der Gründungszuschuss ein Übriges – viele Arbeitslose haben mit finanzieller Hilfe der Arbeitsagenturen Kleinunternehmen gegründet, um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. In der Folge erreichte 2005 der Anteil der selbstständigen Frauen an allen weiblichen Erwerbstätigen 7,5 Prozent, das war der höchste Stand seit 1960 in Westdeutschland. Bei den Männern war der Trend ähnlich.
Zuletzt ist die Selbstständigenquote der Männer und Frauen wieder leicht zurückgegangen. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen boomt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Zum anderen machen sich – vielleicht gerade deswegen – weniger Menschen selbstständig.
Absolut gesehen hat die Zahl der weiblichen Selbstständigen von 2011 bis 2014 um 35.000 auf 1,36 Millionen abgenommen.
Und weil alle diese Entwicklungen sowohl bei Männern als auch Frauen immer in die gleiche Richtung gegangen sind, bleibt es dabei: Männer leiten immer noch doppelt so oft ein Unternehmen wie Frauen.
Allenfalls bei der Gründung von Nebenerwerbsbetrieben haben Frauen mit Männern gleichgezogen. Manche dieser Unternehmen werden zwar, wenn es gut läuft, zur Haupteinkommensquelle. Doch auch das ist letztlich nicht der große Wurf. Denn generell gründen Frauen im Durchschnitt „kleiner“ als Männer: Sie hat eher nur den eigenen Unterhalt oder eine Ergänzung des Haushaltseinkommens im Blick. Er dagegen möchte eine Geschäftsidee verwirklichen und ein größeres Unternehmen aufbauen.
Dieses Bild bestätigt sich auch in der Wahl der Branche für die Gründung: Neun von zehn unternehmerisch tätigen Frauen sind im Bereich der unternehmens- und personenbezogenen Dienstleistungen, im Handel und in der Gastronomie aktiv (Grafik). Bei den männlichen Entrepreneuren beträgt der entsprechende Anteil nur zwei Drittel. Umgekehrt gilt:
Im Produzierenden Gewerbe mit seinen größeren und technologiestärkeren Firmen gibt es lediglich 79.000 weibliche Selbstständige.
Ähnliches gilt für die Start-up-Szene in Deutschland, die besonders innovative und wachstumsorientierte Gründungen umfasst: Weniger als ein Zehntel der beteiligten Gründer sind weiblich. Das ist übrigens keine deutsche Besonderheit. Denn bei den technologiestarken Start-ups im amerikanischen Silicon Valley finden sich ebenfalls nur wenige Frauen an der Spitze.
Was könnte für diese Situation ausschlaggebend sein? Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Frauen vorsichtiger handeln und die Risiken, die mit der Gründung einer Firma nun einmal verbunden sind, eher scheuen als Männer. Außerdem wählen Frauen meist MINT-ferne Studienfächer. Männer dagegen können praktisch aus dem Studium heraus ein technologieorientiertes Start-up gründen.
Kommentar zum Girls' Day: Mission erfüllt?
Oliver Koppel, Arbeitsmarktforscher am Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
Der Girls' Day ist zu Beginn des Jahrtausends ins Leben gerufen worden, um das starre Muster junger Frauen und Mädchen bei der Wahl von Studien- und Ausbildungsberufen aufzubrechen. Gemessen an diesem selbst gesteckten Ziel ist es schwierig, ihn als Erfolgsgeschichte zu interpretieren. Befürworter verweisen zwar gerne darauf, dass die Zahl der Studienanfängerinnen in technisch-naturwissenschaftlichen Fachrichtungen inzwischen deutlich gestiegen ist – von 40.140 im Studienjahr 2003 auf zuletzt 61.275.
Allerdings entscheidet sich nach wie vor nicht einmal jede vierte Studienanfängerin für ein technisch-naturwissenschaftliches Studium, bei den männlichen Studienanfängern sind es 54 Prozent. Des Weiteren ist Fakt, dass sich die Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe von Männern und Frauen immerzu gleich liest.
„Die Unwissenheit über Berufe zementiert die Geschlechterstereotypen.“
Auch der Girls‘ Day vermag nicht zu heilen, dass sich viele junge Frauen – ebenso wie viele junge Männer – eher schlecht informiert für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden. Die weiblichen Teenager orientieren sich häufig an ihren Freundinnen und streben im Zweifelsfall eben lieber „etwas Soziales“ oder „etwas mit Medien“ an als „etwas mit Technik“.
Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Erzähle es mir und ich werde es vergessen. Erkläre es mir und ich werde es behalten. Lass es mich tun und ich werde es verstehen.“ Die Veranstaltungen rund um den Girls' Day sind gut geeignet, erste Hemmschwellen in Bezug auf technische Inhalte jenseits des eigenen Smartphones abzubauen. Der Schritt hin zum Behalten und Verstehen kann jedoch erst durch längerfristig angelegte Maßnahmen gelingen. So bieten viele Unternehmen inzwischen sogenannte Schülerkollegs an – oft in Kooperation mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und speziell für Mädchen.
Über einen längeren Zeitraum und unter Anleitung durch fachkundiges Personal entwickeln und fertigen Schülerinnen dabei in Workshops technische Gegenstände. Die Themenvielfalt reicht von Umwelttechnik über automatisierte Bewässerungsanlagen bis hin zu ferngesteuerten Autos. Ergänzende Berufsorientierung wird durch Absolventinnen gewährleistet, die im Rahmen einer Besichtigung vor Ort darüber berichten, wie ihr Joballtag im Unternehmen aussieht. Diese Kombination aus Selbermachen und authentischen Erfahrungsberichten erweist sich als echtes Erfolgsmodell.