MOOC
Die kalifornische Stanford-Universität tut es, Harvard und das Massachusetts Institute of Technology tun es auch: Sie bieten Massive Open Online Courses (MOOCs) – sprich „Muhks“ – an. Das sind Massenvorlesungen im Internet – eine relativ neue Erfindung, die inzwischen ihrem Namen mehr als gerecht wird und Hunderttausende anzieht. Nur Deutschland ist noch MOOC-Entwicklungsland, doch das soll sich bald ändern.
- In Sachen Massive Open Online Courses (MOOCs) – sprich „Muhks“ ist Deutschland noch ein Entwicklungsland - doch das soll sich bald ändern.
- Mittlerweile hat Udacity gut 500.000 Nutzer, die an insgesamt 25 Kursen in Informatik, Mathe, Physik oder Psychologie teilnehmen.
- In Deutschland stecken die MOOCs noch in den Kinderschuhen und hat keine einzige hochschulübergreifende Plattform mit ähnlich vielen Nutzern wie in den USA.
Ihren Ursprung haben die Online-Vorlesungen in Kanada: Dort entstand – unter anderem wegen der großen Entfernungen – im Jahr 2008 eine Kooperation aus mehreren Universitäten und dem National Research Council. Im Jahr 2011 sprang der Stanford-Professor Sebastian Thrun auf den Zug auf und öffnete einen seiner Kurse für die Internetgemeinde. An dem Online-Seminar nahmen 160.000 Studenten teil. Thurn gründete daraufhin die Lernplattform Udacity. Das Start-up ging im Februar 2012 ans Netz und ist seitdem sehr erfolgreich:
Mittlerweile hat Udacity gut 500.000 Nutzer, die an insgesamt 25 Kursen in Informatik, Mathe, Physik oder Psychologie teilnehmen.
Im April 2012 kam Coursera hinzu. Die Lernplattform, an der inzwischen 69 Universitäten aus aller Welt beteiligt sind, hat sich zum Marktführer der MOOC-Anbieter entwickelt. Nach nur einem Jahr nutzen gut 2,7 Millionen Studenten die insgesamt 222 Kurse.
Die dritte große Plattform, edX, ist ein Gemeinschaftswerk der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology. edX ist ebenfalls seit April 2012 online und hat mittlerweile 700.000 Nutzer. Neben den beiden Gründer-Unis wirken noch zehn weitere Hochschulen aus allen Teilen der Welt mit.
Die MOOCs sind für die User kostenlos. Wer allerdings am Ende des jeweiligen Kurses eine Prüfung ablegen möchte, muss sich kostenpflichtig registrieren. Ein MOOC besteht nicht nur aus einer Folge von gefilmten Vorlesungen, sondern auch aus Übungen und Tests.
Die steigenden Nutzerzahlen der Lernplattformen in den USA zeigen, dass es einen großen Bedarf an kostenlosen Bildungsangeboten gibt. Dabei geht es den meisten Teilnehmern jedoch nicht unbedingt darum, einen Abschluss zu erwerben. Im Gegenteil: Die meisten Menschen nehmen offenbar aus reiner Lust am Lernen an den Kursen teil. Die Bandbreite der Teilnehmer erstreckt sich von Seniorstudenten bis hin zu Abiturienten, die sich zum Beispiel BWL-Einführungsveranstaltungen anschauen, um herauszufinden, ob das Fach das Richtige für sie ist.
In Deutschland stecken die MOOCs noch in den Kinderschuhen. Bislang gibt es nämlich keine einzige hochschulübergreifende Plattform mit ähnlich vielen Nutzern wie in den USA.
OpenCourseWorld ist ein deutsches Angebot, an dem neben der Universität des Saarlandes, der TU München und der TU Hamburg-Harburg auch Unternehmen mitwirken. Mit aktuell 1.200 Nutzern kann das Angebot jedoch nicht mit den Amerikanern mithalten.
Ein weiteres Angebot ist OpenHPI, eine Lernplattform des Hasso-Plattner-Instituts aus Potsdam, die seit September 2012 vier Informatikkurse anbietet. Den ersten Kurs besuchten rund 15.000 Studenten, etwa 2.100 davon legten im Anschluss eine Prüfung ab.
Eine ernstzunehmende Konkurrenz zu den US-Plattformen möchte das Berliner Unternehmen iversity werden (Interview). Die Plattform, die 2008 als eine Art Netzwerk gegründet wurde, hat aktuell rund 70.000 Nutzer. Ab dem Wintersemester 2013/14 soll es hochschulübergreifend Online-Kurse geben.
Um entsprechende Formate entwickeln zu können, hat iversity gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen mit 250.000 Euro dotierten Wettbewerb für insgesamt zehn Stipendien ausgeschrieben. Dafür beworben haben sich gut 500 Professoren mit 254 Kursvorschlägen zu verschiedenen Themen.
Die Internetnutzer konnten bis zum 22. Mai darüber abstimmen, welche zehn Kurse als Inhalte auf iversity angeboten werden sollen. Unter den Top Ten waren z.B. die Kurse „Internationales Agrarmanagement“, „Ingenieurmathematik für Jedermann“ oder „Harry Potter and Issues in International Politics". Nun wird eine Fachjury die Gewinner der Stipendien auswählen.
Interview
Nachgefragt bei Jonas Liepmann, Gründer und Geschäftsführer von iversity
"Da ist richtig Musik drin"
Was ist iversity?
iversity ist eine Plattform, die ich im Jahr 2008 gegründet habe, und zwar als Netzwerk für hochschulübergreifende Lehre. Dieses damals noch studentische Projekt hat sich immer weiter entwickelt, bis ich Mitte 2011 gemerkt habe: Da ist richtig Musik drin. Jetzt entwickeln wir iversity weiter mit dem Fokus auf Open Courses. Gemeinsam mit Professoren wollen wir hochqualitative Kurse entwickeln, die sich dann nicht nur an Studenten richten, sondern für die Allgemeinheit von Interesse sind.
Wie wollen Sie sich von anderen Plattformen wie Coursera oder Udacity abheben?
Wir haben erstens den Vorteil, dass wir die Videos in enger Zusammenarbeit mit den Professoren erstellen. Zweitens wollen wir die Kurse in verschiedenen Sprachen anbieten. Drittens sollten ohnehin nicht ein oder zwei Plattformen die gesamte Bildungslandschaft dominieren.
Sind MOOCs die akademische Bildung der Zukunft?
MOOCs werden die akademische Bildungswelt massiv beeinflussen. Allerdings wird die Präsenzlehre damit nicht abgeschafft, sondern es werden sich ihre Vorteile herauskristallisieren. Und das ist eben nicht, 600 Leute im Hörsaal zu treffen. Meine Vision ist ein Mischmodell aus On- und Offline. Manches funktioniert im Netz vielleicht sogar besser, denn eine Vorlesung im Hörsaal kann ich nicht zurückspulen, wenn ich etwas nicht verstanden habe.
Welche Chancen ergeben sich für das deutsche Bildungssystem durch MOOCs?
Die deutsche Universitätslandschaft kann durch diese Entwicklung ihre Qualitäten demonstrieren. Denn letztendlich sind die MOOCs auch ein Marketingkanal. Man nimmt die besten Professoren und produziert mit ihnen tolle Inhalte, um die eigene Exzellenz der Lehre zu beweisen. Universitäten müssen sich im Online-Markt einfach mehr Mühe geben, didaktisch gute Inhalte einzustellen. Und Professoren haben einen größeren Anreiz, sich in der Lehre zu engagieren. Damit wird das Qualitätsniveau steigen und sich im besten Fall auch auf die Präsenzlehre auswirken.