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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Stromversorgung Lesezeit 3 Min.

Mit Mieterstrom Richtung Klimaziel

Millionen Mieter in Deutschland könnten von günstigem Solarstrom vom eigenen Dach profitieren. Damit käme Deutschland gleichzeitig seinen Ausbauzielen im Bereich Photovoltaik einen großen Schritt näher. Doch bürokratische Hürden stehen dem flächendeckenden Erfolg des Modells im Weg.

Kernaussagen in Kürze:
  • Gut 20,4 Millionen Haushalte in Deutschland könnten vom Solarstrom auf dem Gebäude ihrer Wohnung – dem sogenannten Mieterstrom – profitieren.
  • Für Vermieter lohnen sich solche Projekte nach IW-Berechnungen ebenfalls finanziell. Außerdem ließe sich so ein großer Schritt Richtung Klimaziele machen.
  • Allerdings ist Mieterstrom bislang zu bürokratisch und komplex. Es liegt am Staat, Regularien zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, um die Solaranlage auf Mehrfamilienhäusern attraktiver zu machen.
Zur detaillierten Fassung

Photovoltaikanlagen sieht man in Deutschland bisher vor allem in Reih und Glied auf Wiesen und Feldern oder als kleinere Aufbauten auf den Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern. Um den Ausbau weiter voranzutreiben, sind aber noch viel mehr Flächen vonnöten. Das IW hat sich deshalb im Rahmen des Ariadne-Projekts – einem Zusammenschluss von 26 wissenschaftlichen Einrichtungen, die zur Energiewende forschen – mit dem Thema Mieterstrom beschäftigt und dabei große Potenziale identifiziert.

Die Grundidee dahinter: Hauseigentümer, meist die Vermieter, lassen auf ihrer Immobilie eine Solaranlage installieren und bieten den daraus gewonnenen Strom direkt den Bewohnern an. Diese schließen ihren Liefervertrag mit dem Vermieter ab. Weil dabei Netzentgelte und Stromsteuer entfallen und Solaranlagen günstige Erzeugungskosten haben, profitieren die Mieter von günstigeren Preisen. Nur den Stromverbrauch, der über die Produktion der Solaranlage hinausgeht, beziehen sie aus dem öffentlichen Netz.

Über Mehrfamilienhäuser ließe sich fast die Hälfte des bis 2030 angepeilten Photovoltaik-Ausbaus in Deutschland abdecken.

Auch für die Vermieter lohnt sich ein solches Projekt finanziell, wie die IW-Studie ergeben hat:

Im Basisszenario – 75 Prozent der Mieter eines Acht-Parteien-Gebäudes beteiligen sich und die Kosten für die PV-Anlage liegen im mittleren Bereich – ergibt sich für ein typisches Gebäude eine jährliche Rendite von 3,6 Prozent für den Eigentümer.

Unter Idealbedingungen mit geringen Investitionskosten und einer Beteiligung aller Mieter sind sogar bis zu 18,5 Prozent Rendite drin.

Doch in welchem Umfang ließe sich das Modell in Deutschland überhaupt umsetzen? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst den Gebäudesektor allgemein anschauen.

In Deutschland dominieren zwar Ein- und Zweifamilienhäuser, die etwa 82 Prozent der knapp 20 Millionen Wohngebäude in Deutschland ausmachen. Allerdings entfallen gleichzeitig nur 44 Prozent aller verfügbaren Wohnungen auf sie. Daraus ergibt sich für das Modell Mieterstrom in Mehrfamilienhäusern mit mindestens drei Wohnungen eine große Zielgruppe (Grafik):

Gut 20,4 Millionen Haushalte in Deutschland könnten vom Solarstrom auf dem Gebäude ihrer Wohnung profitieren.

So viele Mehrfamilienhäuser in Deutschland sind für Solarstrom geeignet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die theoretisch installierbare Leistung ist ebenfalls hoch, insgesamt ließen sich Photovoltaikanlagen mit einer kumulierten Leistung von rund 60 Gigawatt auf den Mehrparteienhäusern im Land platzieren. Damit würde die Energiewende in Deutschland einen weiteren Schub bekommen (Grafik):

Mit einer kompletten Nutzung des Potenzials auf Mehrfamilienhäusern ließe sich fast die Hälfte des bis 2030 angepeilten Photovoltaik-Ausbaus in Deutschland abdecken.

Installierte Leistung in Deutschland in Gigawatt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Selbst wenn man Häuser mit nördlich ausgerichteten Dächern – bei denen sich das Mieterstrom-Modell aufgrund der geringen Sonneneinstrahlung auf den Solaranlagen weniger lohnt – aus der Rechnung herausnimmt, wären potenziell immer noch gut 43 Gigawatt installierbar.

Staat sollte Regularien für Mieterstrom vereinheitlichen

Der Mieterstrom klingt also nach einer Win-win-win-Situation – günstiger Strom für die Mieter, Rendite für die Vermieter und Klimaerfolge für Deutschland. Doch es gibt ein großes Aber: Mieterstrom umzusetzen, ist bislang bürokratisch und komplex. Außerdem entstehen durch die zusätzlichen Anforderungen an Messtechnik, Abrechnung und Kundenbetreuung erhebliche Kosten für die Vermieter. Deswegen sind bei der Bundesnetzagentur momentan nur etwa 5.400 Mieterstromanlagen registriert.

Um Gebäude- und Mieterstromprojekte zukünftig attraktiver zu machen, muss der Staat Regularien vereinheitlichen.

Der wichtigste Punkt dabei betrifft die Wechselprozesse bei Netz- und Messstellenbetreibern. Bisher gibt es für die technische Umsetzung sowie für die Freigabe- und Meldeprozesse von Smart Metering, also der digitalen Messung des Energieverbrauchs, keine bundesweiten Standards. Vereinfacht gesagt: Was für ein Mieterstromprojekt in einem Netzgebiet gilt, gilt noch lange nicht für ein anderes in einem anderen Netzgebiet. Zudem braucht es standardisierte Messkonzepte, die den administrativen und technischen Aufwand reduzieren.

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