Mit Kryptogeld gegen die US-Staatsschulden
Der US-Schuldenberg wächst. Zugleich schwächelt der Dollar als Leitwährung – und verringert damit den Spielraum der USA, sich fast unbegrenzt im Ausland verschulden zu können. Helfen soll nun eine besondere Form von Kryptowährung.
- Die Staatsverschuldung der USA erreichte 2024 mit 122 Prozent des BIP einen historischen Höchststand, während wachsende Sozialausgaben und geringe Einnahmen die Haushaltslage weiter verschärfen.
- Das Vertrauen internationaler Investoren in US-Staatsanleihen nimmt ab: Der Anteil ausländischer Halter sank Anfang 2025 auf rund 25 Prozent der gesamten Staatsverschuldung – etwa 9 Billionen Dollar – und damit um rund 10 Prozentpunkte in den vergangenen zehn Jahren.
- Mit dem 2025 verabschiedeten GENIUS-Gesetz will die US-Regierung Stablecoins – digitale, an den Dollar gekoppelte Vermögenswerte – als neuen Finanzierungsanker fördern, riskiert dabei aber neue Instabilität.
Die USA leben seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse, 2024 erreichte die Schuldenquote des Landes mit 122 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einen historischen Höchststand. Ursache sind nicht nur konjunkturelle Krisen, sondern auch der demografische Wandel: Zwischen 1966 und 2024 stieg die durchschnittliche Lebenserwartung der Amerikanerinnen und Amerikaner von 70,2 auf 78,4 Jahre – und mit ihr erhöhten sich auch die Sozialausgaben.
Nur rund 20 Prozent der internationalen Anleger, die insgesamt US-Staatsanleihen im Wert von rund 9 Billionen Dollar halten, stuften die Staatsschulden der USA im Jahr 2024 als tragfähig für die Zukunft ein.
Die Kosten für die staatlichen Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid kletterten zwischen 1966 und 2024 von 0,2 Prozent auf 3,6 beziehungsweise 3,1 Prozent des BIP, die Rentenausgaben stiegen von 2,4 auf 4,8 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Gleichzeitig fließen zu wenig Einnahmen in die Staatskasse. Im Jahr 2024 gab die US-Regierung 14,4 Prozent des BIP aus, nahm aber nur 10,6 Prozent der Wirtschaftsleistung ein. Trotz dieser Schieflage sind US-Staatsanleihen heiß begehrt.
Mit einem globalen Marktanteil von rund 39 Prozent und einem Volumen von 55 Billionen Dollar ist der amerikanische Anleihenmarkt der größte weltweit. Fast 9 Billionen Dollar davon halten ausländische Investoren, das heißt: Insbesondere internationale Anleger finanzieren die Schulden der USA, indem sie die als besonders sichere Kapitalanlage geltenden Staatsanleihen kaufen.
Doch wie lange können sich die Vereinigten Staaten noch auf diesem Vertrauensvorschuss ausruhen und weiterhin auf Pump haushalten? Schließlich wächst seit Jahrzehnten ihr sogenanntes Twin Deficit, also das doppelte Defizit aus Haushalts- und Leistungsbilanz (Grafik):
Zwischen 1960 und 2024 stieg das staatliche Budgetdefizit, also die Differenz zwischen öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, von 0,6 Prozent auf 6,3 Prozent des BIP.
Allein in den vergangenen zwei Jahren wuchs die Staatsschuldenquote um 2 Prozentpunkte. Zudem importieren die USA seit Mitte der 1980erJahre mehr, als sie exportieren und verschulden sich damit zunehmend im Ausland:
Während das Leistungsbilanzdefizit 1982 noch bei 0,2 Prozent des BIP lag, betrug es 2024 schon 3,9 Prozent.
Das liegt zum einen am hohen Wechselkurswert des Dollar, durch den amerikanische Verbraucher und Unternehmen im Ausland günstiger einkaufen können. Zum anderen sparen US-Haushalte im internationalen Vergleich wenig und nehmen immer mehr Kredite auf: Der Anteil der Konsumentenkredite am BIP stieg von rund 13 Prozent im Jahr 1980 auf knapp 17 Prozent im vergangenen Jahr.
Der Vertrauensvorschuss internationaler Investoren in den Dollar bröckelt
Bislang schien das Twin Deficit kein Problem: Weltweit angehäufte Ersparnisse trafen auf ein knappes Angebot an US-Anleihen. Das senkt die Zinsen und verschafft den USA die Möglichkeit, sich fast unbegrenzt und billig zu verschulden.
Denn solange die Nachfrage nach sicheren Dollar-Anlagen hoch ist, können die USA ihre Defizite günstig finanzieren, weil Investoren dann auch zu niedrigeren Renditen kaufen. Die Nachfrage wiederum bleibt hoch, wenn die Investoren auf die Stabilität der amerikanischen Staatsfinanzen vertrauen. Das war zuletzt noch der Fall (Grafik):
Obwohl nur 20 Prozent der 2024 befragten ausländischen Investoren das US-Defizit als nachhaltig einstufen, vertrauen 59 Prozent in die Stabilität der Staatsschulden der USA.
All das führte in der Vergangenheit dazu, dass die Vereinigten Staaten immer mehr Schulden aufgenommen haben – und im Schnitt sogar weniger Zinsen als in Zeiten niedriger Verschuldung zurückzahlen mussten.
Doch dieser Mechanismus ist fragil – mit steigenden Leitzinsen, Handelskonflikten und politischen Unsicherheiten rund um ein mögliches Schuldenlimit wächst das Risiko, dass Investoren ihr Vertrauen verlieren und Kapital umschichten.
Erste Anzeichen dafür sind bereits sichtbar, sodass Zentralbanken auf der ganzen Welt beginnen, ihre Währungsreserven umzuverteilen: Von 2021 bis 2024 ist der Anteil des Dollar in den globalen Währungsreserven von rund 72 Prozent auf gut 58 Prozent gesunken.
Besonders beunruhigend dürfte für Washington der Blick auf den Markt für US-Staatsanleihen sein (Grafik):
Der Anteil ausländischer Investoren an der Staatsverschuldung der USA ist Anfang 2025 auf rund 25 Prozent gesunken – damit sank das Engagement ausländischer Anleger in den vergangenen zehn Jahren um 9 Prozentpunkte.
Insgesamt schwankt der Anteil ausländischer Halter von US-Anleihen immer wieder, weil Anleger darauf reagieren, wenn sich die Zinsen auf US-Papiere und die Renditen auf andere Kapitalanlagen unterschiedlich entwickeln. Der leichte Zugewinn internationaler Investoren gegenüber dem Vorjahr ist demnach laut IW-Analysten nicht so aussagekräftig, wie der zuletzt insgesamt zu beobachtende Abwärtstrend.
Gedeckte Kryptowährung soll Nachfrage nach US-Staatsanleihen hochhalten
In dieser Situation setzt die US-Regierung nun große Hoffnungen auf Stablecoins – digitale Vermögenswerte, die an den Dollar gekoppelt sind. Geschaffen werden sie von privaten Finanzunternehmen, die für jeden ausgegebenen Coin entsprechende Sicherheiten in Form von Dollar oder Staatsanleihen hinterlegen.
Anleger erhalten dabei sogenannte Token, das sind digitale Einheiten, die auf einer Blockchain – also einer Kette von digitalen Datenblöcken – gespeichert sind und den Anspruch auf den hinterlegten Wert repräsentieren. Das Versprechen: 1 Token im Wert von 1 Dollar soll dann jederzeit gegen 1 Dollar eingelöst werden können.
Stablecoins funktionieren damit ähnlich wie Geldmarktfonds. Auch diese bündeln die Einlagen vieler Anleger, legen sie kurzfristig in sichere Papiere wie Staatsanleihen an und bieten hohe Liquidität. Der Unterschied: Bei Fonds erwerben Investoren Anteile, bei Stablecoins dagegen digitale Token.
Mit dem im Juli 2025 verabschiedeten Genius Act will die US-Regierung den Markt für Stablecoins gezielt fördern. Die Idee dahinter: Anleger parken überschüssige Liquidität in Stablecoins, deren Anbieter legen das Geld dann direkt in Staatsanleihen an. So würde die Nachfrage nach US-Anleihen steigen, während zugleich die Rolle des Dollar als Leitwährung gesichert bliebe.
Bei Stablecoins drohen neue Risiken für Anleger und Märkte
Doch was wie ein eleganter Ausweg klingt, birgt neue Gefahren. Stablecoins funktionieren nur, solange das Vertrauen in ihren Gegenwert intakt ist. Gerät es ins Wanken, könnten Anleger innerhalb kürzester Zeit massenhaft Token einlösen wollen und die Anbieter wären gezwungen, Staatsanleihen in großem Stil zu verkaufen.
Die Folgen wären stark fallende Kurse, steigende Renditen und Schockwellen für die Finanzmärkte weltweit – ein Szenario, das Erinnerungen an die Geldmarktfonds-Krise 2008 weckt. Ob sich Stablecoins als die erhofften Rettungsanker für die US-Schuldenlast erweisen oder ob aus der erhofften Stabilität am Ende nicht nur neue Instabilität entsteht, ist also zumindest fraglich.