MINT-Lücke gefährdet die Transformation der Wirtschaft
In Berufen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik fehlen in Deutschland trotz Wirtschaftsflaute nach wie vor viele Beschäftigte. Gerade für die Entwicklung innovativer Lösungen zur Transformation der Wirtschaft sind diese Jobs besonders wichtig.
- Trotz schwächelnder Konjunktur ist der Bedarf an Mitarbeitenden mit MINT-Qualifikation in Deutschland nach wie vor hoch.
- Da in MINT-Berufen überdurchschnittlich oft Innovationen kreiert werden, gefährdet die Fachkräftelücke die laufende Transformation der Wirtschaft.
- Investitionen in das Bildungssystem ist für die Unternehmen in Deutschland der wichtigste Hebel, um die MINT-Lücke zu verkleinern.
Wenn die Wirtschaft schwächelt, gerät der Arbeitsmarkt unter Druck. Dieses klassische volkswirtschaftliche Prinzip greift auch aktuell in Deutschland: Hiesige Unternehmen müssen häufiger Personal entlassen oder verzichten auf Einstellungen. Das hat auch Auswirkungen auf die Fachkräftelücke in den MINT-Berufen, also Jobs der Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Allerdings ist der Bedarf an Mitarbeitern mit MINT-Qualifikation nach wie vor hoch:
Im September 2024 gab es in Deutschland rund 418.200 offene Stellen in MINT-Berufen. Demgegenüber standen knapp 226.300 arbeitslos gemeldete Personen, die nach einem MINT-Job suchten. Berücksichtigt man die Mismatches – nicht für jede offene Stelle gibt es einen Kandidaten mit der geeigneten Qualifikation – ergibt sich die aktuelle Lücke (Grafik):
Im September 2024 fehlten in den 36 MINT-Berufsgruppen insgesamt 209.200 Personen. Zur Einordnung: Anfang des Jahres waren es 237.500.
Mehr als die Hälfte der aktuellen Lücke betrifft Jobs mit Facharbeiterqualifikation – über diese verfügt man in der Regel nach einer Berufsausbildung. Darüber hinaus werden knapp 77.700 Akademiker gesucht. Am geringsten ist der derzeitige Bedarf an weiteren Technikern und Meistern, auf dieser Qualifikationsstufe fehlen gut 22.300 Personen.
Bezogen auf die Branchen herrscht in den Energie- und Elektroberufen der größte Fachkräftemangel, 68.600 Erwerbstätige fehlen in diesen Zweigen. Ebenfalls größere Personalsorgen haben die Unternehmen in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik (41.500), den Bauberufen (30.800) und den Metallberufen (30.100).
Um die Transformation zu bewältigen, halten so gut wie alle Firmen Investitionen in das Bildungssystem für zwingend notwendig.
Die MINT-Lücke ist allerdings nicht nur für die einzelnen Branchen ein Problem, sondern auch für die Wirtschaft insgesamt. Denn in den genannten Berufen werden überdurchschnittlich viele Innovationen kreiert. Angesichts der laufenden Transformation der Wirtschaft und der damit verbundenen Bewältigung der vier großen Aufgabenfelder Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografische Entwicklung und Deglobalisierung sind diese Berufe umso wichtiger.
Die gute Nachricht: Innovative Unternehmen, die in der Regel überdurchschnittlich viele MINT-Beschäftigte haben, fühlen sich besser für die verschiedenen Herausforderungen gerüstet als der Rest. Die schlechte Nachricht: Überragend gut schneiden auch diese Firmen in einer IW-Befragung nicht ab (Grafik):
Ein knappes Drittel der innovativen Unternehmen in Deutschland sieht sich gut aufgestellt für die Herausforderungen durch Energiewende und Klimaschutz. Jedes fünfte von ihnen ist allerdings nach eigener Aussage in einer schlechten Ausgangslage.
In der Kategorie Digitalisierung ist mit knapp 43 Prozent gut vorbereiteter innovativer Unternehmen die Situation noch am besten. Bezüglich möglicher internationaler Handelsbeschränkungen im Zuge der Deglobalisierung übersteigt die Zahl der Pessimisten die der Optimisten.
Unternehmen sehen Politik in der Pflicht
Angesichts dieser Voraussetzungen sehen die Unternehmen in mehreren Bereichen politischen Handlungsbedarf, um die Transformation zu bewältigen. Ein Thema dominiert in diesem Kontext klar:
Investitionen in das Bildungssystem halten so gut wie alle befragten Firmen für unbedingt erforderlich.
Konkret muss es darum gehen, die Fähigkeiten der Schüler in MINT-Fächern durch gezielte Förderung zu verbessern. In den vergangenen Jahren sind die Leistungen, die deutsche Schüler in diesen Bereichen im PISA-Test zeigten, sukzessive gesunken.
Außerdem ist die Zahl der Studienanfänger in MINT-Fächern von rund 198.000 im Jahr 2016 auf knapp 179.500 im Jahr 2023 zurückgegangen. Den größten Einbruch gab es in den Ingenieurwissenschaften und der Informatik. Eine bessere und klischeefreie Berufs- und Studienberatung könnte dazu beitragen, diesen Trend zu stoppen.