Mehr als goldener Boden
Der Bauboom und die gute Binnenkonjunktur bescheren dem Handwerk satte Umsatzzuwächse. Die Jobverluste infolge der Wirtschaftskrise dürften damit wettgemacht sein.
- Der Bauboom und die gute Binnenkonjunktur bescheren dem Handwerk satte Umsatzzuwächse.
- Einen wahren Gründerboom löste 2004 die Reform der Handwerksordnung aus.
- Angetrieben wurde die Entwicklung durch den EU-Beitritt mittel- und osteuropäischer Staaten.
Friseure, Kfz-Meister, Augenoptiker, Bäcker, Malergesellen – sie alle arbeiten in Handwerksbetrieben, die insgesamt mehr als 5 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigen (Kasten).
Selbst in der Wirtschaftskrise mussten nur relativ wenige um ihren Job bangen. Im Jahr 2009 sank die Zahl der Beschäftigten lediglich um 75.000, im Jahr 2010 dann noch einmal um 110.000.
Zahlen für 2011 liegen zwar noch nicht vor, aber es spricht alles dafür, dass es seitdem wieder bergauf geht. Denn in den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 ist der Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 8 Prozent gestiegen, das ist der höchste Zuwachs seit langem. Und weil das Handwerk ohne fleißige Hände nun einmal nicht auskommt, ist diese Entwicklung sicher nicht spurlos an der Beschäftigung vorbeigegangen.
Der jüngste Höhenflug kann eigentlich niemanden überraschen, denn das Handwerk lebt vornehmlich vom Bau (Grafik). Dieser hat zuletzt Boden gutgemacht. Die Bauleistungen haben 2011 um 13 Prozent zugelegt. Entsprechend viel haben Maurer, Betonbauer, Dachdecker, Estrichleger oder Stuckateure zu tun.
Obwohl das Handwerk arbeitsintensiv ist, haben die Betriebe offenbar erfolgreich modernisiert. Seit der letzten Handwerkszählung 1994 ist die Arbeitsproduktivität – also das, was jeder Beschäftigte im Jahr erwirtschaftet – von 67.300 Euro auf 95.900 Euro gestiegen. Nach Abzug der Preissteigerungsrate ergibt sich so ein Plus von 14 Prozent.
Einen wahren Gründerboom löste 2004 die Reform der Handwerksordnung aus. Seither müssen 53 Berufsgruppen wie zum Beispiel Raumausstatter und Gebäudereiniger keinen Meistertitel mehr vorweisen, um sich selbstständig zu machen.
In der Folge nahm die Zahl der vom Meisterzwang befreiten Minibetriebe um 160 Prozent auf 197.000 zu.
Angetrieben wurde diese Entwicklung durch den EU-Beitritt mittel- und osteuropäischer Staaten. So nutzten zum Beispiel zahlreiche polnische Handwerker, die in Deutschland bis Mai 2011 nicht als Arbeitnehmer tätig werden durften, die Möglichkeit, selbst einen kleinen Betrieb zu gründen, um hierzulande arbeiten zu können.
Handwerkszählung 2008
Ohne Kleinstbetriebe, die weniger als 17.500 Euro im Jahr umsetzen und von daher nicht umsatzsteuerpflichtig sind, gab es laut der unlängst veröffentlichten „Handwerkszählung 2008“ gut 577.000 Unternehmen. In diesen waren 600.000 Inhaber – überwiegend Meister – und 3,6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig. Eine weitere Dreiviertelmillion Menschen arbeiteten in sogenannten Minijobs. Zusammen mit den Kleinstbetrieben unterhalb der Umsatzsteuerschwelle dürfte das Handwerk etwa 5,1 Millionen Personen beschäftigen. Für 41 Handwerke wird der Meisterbrief verlangt. Diese zulassungspflichtigen Handwerke stellen fast sieben von acht Unternehmen und beschäftigen vier Fünftel der Erwerbstätigen. Ihr Anteil an allen Handwerksumsätzen lag zuletzt bei gut 90 Prozent.