Kommentar: „Eine Überdosis Bürokratie führt in die Planwirtschaft“
Deutschland und Europa regulieren sich ins wirtschaftspolitische Abseits, warnt Margarete Haase. Die Vizepräsidentin der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen skizziert, weshalb es so viel Bürokratie gibt und wie eine Trendwende gelingen kann.
- Margarete Haase, Vizepräsidentin der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen, kritisiert die überbordende Bürokratie in Deutschland und der EU.
- Viel zu oft verlören Regulatoren ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Außerdem würden zu selten Experten beim Erstellen neuer Regeln einbezogen.
- Die Soziale Marktwirtschaft sollte Grundlage jeder Regelung sein: „Ja“ zu einem Ordnungsrahmen, aber „Nein“ zu Regelungen bis ins kleinste Detail, meint Haase.
Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich brauchen wir Regeln und Gesetze für größtmögliche Transparenz und einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Doch die Europäische Union und Deutschland sind mit ihrem Verständnis von Regulierung sehr weit – ja, zu weit – gegangen. Die Politik gleicht zuweilen einem Tsunami aus Regeln und Verordnungen. Vielerorts hat sie bürokratische Monster geschaffen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer beschädigen oder das Gegenteil dessen bewirken, was beabsichtigt war. Ein paar Beispiele:
- Firmen spiegeln uns, dass sie ihre ambitionierten Nachhaltigkeitspläne herunterschrauben, wenn sie mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) konfrontiert werden. Der Grund: Sie wollen nicht in die Falle des Greenwashings tappen.
- Wegen des Lieferkettengesetzes machen Unternehmen genau das Gegenteil dessen, was das Gesetz bewirken soll: Sie gehen auf Nummer sicher und kaufen weniger in Entwicklungsländern ein.
- Wegen des EU-AI Act, der die Anwendung künstlicher Intelligenz regelt, zögern Weltkonzerne damit, Innovationen in der EU einzuführen – etwa Apple mit dem iPhone 16, das hierzulande nur ohne Apple Intelligence zu haben ist.
In Brüssel macht schon der Witz die Runde, dass die Vereinigten Staaten erfinden, China produziert und Europa reguliert. Der Gag hat leider einen sehr realen Kern.
Ohne Wirtschaftswachstum sind weder die Transformation noch der Sozialstaat zu finanzieren.
Dabei muss Bürokratie nicht zwingend schlecht sein: Viele dort tätige Unternehmer sagen, Regulierung in den USA fördere eher Wirtschaftswachstum. Dagegen strangulieren EU-Regulierungen die Wirtschaft vor allem und führen zu Wettbewerbsnachteilen.
Meine Beobachtung ist Folgende: Viel zu oft verlieren Regulatoren ihr eigentliches Ziel aus den Augen – den Trade-off zwischen Wohlstand und Wachstum einerseits und dem Schutz von Konsumenten andererseits. Die Politik beschließt darüber hinaus in vielen Fällen neue Regeln, ohne zuvor wichtige Experten einzubeziehen.
Hinzu kommt mittlerweile der Irrglaube, dass Klimaschutz nur durch Verzicht und Degrowth zu erreichen ist. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ohne Wirtschaftswachstum sind weder die Transformation noch der Sozialstaat zu finanzieren.
Zwei Entwicklungen sind dafür verantwortlich, dass die Politik die Belange der Wirtschaft aus den Augen verloren hat: der Dieselskandal und die Finanzmarktkrise. Seither zieht der Staat immer mehr Aufgaben an sich und befragt die Betroffenen immer seltener. Das muss sich sofort ändern.
Die Entscheider sollten die Auswirkung jeder Regulierung mit Blick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen bewerten. Gleiche Wettbewerbsbedingungen müssen das Ziel sein – gerade für kleine und mittlere Unternehmen.
Außerdem sollte die Soziale Marktwirtschaft die Grundlage jeder Regelung sein: „Ja“ zu einem Ordnungsrahmen, aber „Nein“ zu Regelungen bis ins kleinste Detail. Eine Überdosis Bürokratie führt in die Planwirtschaft.