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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Berufsausbildung Lesezeit 5 Min.

Interview: „Wir tun sehr viel für unsere Auszubildenden“

Das mittelständische Familienunternehmen Rinn aus Hessen hat wenig Probleme, seine Ausbildungsplätze zu besetzen. Das liegt unter anderem daran, dass das Baustoffunternehmen den Kontakt zu den Schulen im Umkreis intensiv pflegt und viele Jugendliche den Betrieb bereits im Rahmen eines Schülerpraktikums kennenlernen können, wie Personalreferent Silas Rink erklärt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das mittelständische Baustoffunternehmen Rinn bildet Jugendliche in neun Ausbildungsberufen aus und hat nur selten Probleme, die Stellen zu besetzen.
  • „Wir tun viel dafür, dass das so ist: Wir sind an den Schulen und online präsent, wir gehen auf Karrieremessen, aber auch zu lokalen Sportvereinen, wenn diese etwas ausrichten“, sagt Rinn-Personalreferent Silas Rink.
  • Außerdem gehe der Betrieb individuell auf die Azubis ein, so Rink: „Wir haben in jeder Abteilung, die von ihnen durchlaufen wird, einen für sie zuständigen Ausbildungsbeauftragten, der offiziell gebrieft ist und ganz genau weiß, was in seiner Abteilung vermittelt werden muss.“
Zur detaillierten Fassung

Sie bieten dieses Jahr neun Ausbildungsplätze an, nur einen Platz – als Verfahrensmechaniker am Standort Stadtroda in Thüringen – konnten Sie nicht besetzen. Wie schaffen Sie es, so viele Azubis zu gewinnen?

Hier in Heuchelheim, dem Sitz der Firmenzentrale, haben wir eigentlich selten Probleme, Stellen zu besetzen – egal, ob das Ausbildungsstellen sind oder Jobs für Berufserfahrene. Das liegt daran, dass wir hier im Kreis Gießen eine sehr große Strahlkraft und eine gute Reputation als größeres Industrieunternehmen haben.

Die Jugendlichen rennen Ihnen also ganz von allein die Bude ein?

Nein, wir tun natürlich viel dafür, dass das so ist, weil auch wir nicht immun gegen den Fachkräftemangel sind: Wir sind an den Schulen und online präsent, wir gehen auf die „Azubispot“-Karrieremesse im Kinopolis Gießen, aber zum Beispiel auch zu lokalen Sportvereinen, wenn diese etwas ausrichten.

Bei uns werden die jungen Leute nicht einfach nur von A nach B geschleust, sondern es gibt für jeden der neun Ausbildungsberufe, die wir anbieten, ein komplettes Ausbildungskonzept.

Silas Rink ist Personalreferent bei der Baustofffirma Rinn; Foto: Rinn Beton & Naturstein GmbH

Insgesamt waren wir innerhalb von zwölf Monaten mit 45 Schulklassen in Kontakt: Entweder waren die Schüler bei uns im Betrieb, wo sie im Rahmen einer Führung unterschiedliche Ausbildungsberufe kennenlernen und an einem Bewerbertraining teilnehmen konnten, oder unser Ausbildungsleiter hat die Klassen vor Ort an den Schulen besucht.

Auch die meist zweiwöchigen Schülerpraktika spielen eine große Rolle, denn ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen will nach einem Praktikum hier eine Ausbildung anfangen.

Potenzielle neue Mitarbeiter bei Rinn müssen von den Kollegen in den Fachabteilungen befürwortet werden, bevor es zum Vertragsabschluss kommt. Gilt das auch für angehende Azubis?

Ja. Bei Azubis ist der Prozess so, dass wir zunächst einen Einstellungstest durchführen mit je einem auf den jeweiligen Beruf ausgerichteten flexiblen Bestandteil. Wer sich für einen Ausbildungsplatz als Betonfertigteilbauer bewirbt, muss beispielsweise einen geometrischen Part absolvieren, während die Interessenten für den Industriekaufmann eine zahlenlastige Zusatzaufgabe bekommen.

Der Probetag bietet die Möglichkeit, zu gucken, ob man sich eine Ausbildung vorstellen kann.

Nach dieser ersten groben Einschätzung aufgrund des Tests und der Bewerbungsunterlagen erfolgt im nächsten Schritt ein Vorstellungsgespräch, bei dem immer auch der fachliche Ausbilder dabei ist. Wenn dann alle sagen, das passt, vereinbaren wir mit den Ausbildungsplatzbewerbern einen Probe- beziehungsweise Schnuppertag im Betrieb. An dem haben beide Seiten die Möglichkeit zu gucken: Kann ich mir das in der Praxis wirklich vorstellen? Dieser Probetag ist nicht nur dafür da, dass wir und das Team schauen, ob es persönlich passt. Auch der Bewerber soll schauen, ob er sich die Ausbildung bei uns vorstellen kann.

Ist es schon mal vorgekommen, dass Sie jemanden nach einem solchen Schnuppertag nicht beschäftigen wollten?

So gut wie nie, weil wir spätestens nach dem Vorstellungsgespräch, wenn wir sagen, dass wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen könnten, eine ganz gute Vorahnung haben und zudem grob einschätzen können, auf was die Bewerber Wert legen. Wer es bis zum Schnuppertag geschafft hat, bringt in der Regel gute Voraussetzungen dafür mit, dass es zum Vertragsabschluss kommt.

Ihr Unternehmen ist Preisträger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, Sie produzieren den ersten Betonstein, der mit dem Umweltsiegel „Blauer Engel“ ausgezeichnet worden ist. Wie wichtig ist den Jugendlichen das Thema Nachhaltigkeit?

Für die Jugendlichen weniger, als man denken mag, sie halten es mehr oder weniger für selbstverständlich, dass ein Unternehmen heutzutage Wert auf Nachhaltigkeit legt. Tatsächlich ist dieser Aspekt unseres Unternehmens eher den langjährigen Mitarbeitern in der Altersklasse 30 plus wichtig.

Fast jeder dritte Azubi bricht seine Ausbildung ab. Wie oft passiert das in Ihrem Unternehmen?

Das ist in meinen vier Jahren bei der Firma Rinn einmal vorgekommen, dass ein Azubi trotz guter Leistungen aus freien Stücken die Ausbildung abbrechen und sich umorientieren wollte.

Bei 36 Auszubildenden in allen drei Lehrjahren ist das sehr wenig …

Das liegt, denke ich, daran, dass wir sehr individuell auf die Azubis eingehen: Wir haben in jeder Abteilung, die von ihnen durchlaufen wird, einen für sie zuständigen Ausbildungsbeauftragten, der offiziell gebrieft ist und ganz genau weiß, was in seiner Abteilung vermittelt werden muss.Bei uns werden die jungen Leute nicht einfach nur von A nach B geschleust, sondern es gibt für jeden der neun Ausbildungsberufe, den wir anbieten, ein komplettes Ausbildungskonzept.

Außerdem treffen sich unsere kaufmännischen Azubis einmal pro Woche, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Das kann die Arbeit am firmeneigenen Instagram- oder TikTok-Kanal „Rinn Karriere“ sein, der von ihnen betreut wird, oder der Bau von Hochbeeten für Kindergärten in der Umgebung.

Sie lassen Ihre Mitarbeiter viele Dinge mitentscheiden und -gestalten. Gilt das gleichermaßen auch für die Auszubildenden?

Klar, die haben genau dasselbe Recht, mitzuwirken und Ideen für das betriebliche Vorschlagswesen einzureichen, wie jeder andere. Eine energiesparende Abschaltautomatik, die in den Produktionshallen einfach mit einem Schalter für die Pause oder während der Schichtübergabe zu betätigen ist, geht auf einen Azubi zurück, der eine Ausbildung als Elektroniker für Betriebstechnik bei uns gemacht hat.

Übernehmen Sie alle Azubis, wenn sie ihre Ausbildung beendet haben?

Bis zum Sommer 2023 haben wir immer alle übernommen, jetzt sind es noch 70 Prozent, denen wir ein Angebot machen. In der Vergangenheit konnten wir immer damit werben, dass wir alle Auszubildenden übernehmen. Nach Corona hat sich die Branche sehr verändert, die Energiepreise sind rasant gestiegen und die Inflation war zwischenzeitlich sehr hoch, sodass wir leider nicht mehr alle nach ihrer Abschlussprüfung übernehmen können. Das ist mitunter sehr schade, denn es kann vorkommen, dass wir wenige Monate später genau diese Qualifikation brauchen, wenn sich die Strukturen oder die Auftragslage im Betrieb verändern.

Bedarfsgerecht ausbilden heißt, nur so viele Ausbildungsstellen auszuschreiben, wie künftig Fachkräfte gebraucht werden.

Natürlich versuchen wir, bedarfsgerecht auszubilden und – soweit das abzusehen ist – nur die Zahl an Ausbildungsstellen auszuschreiben, die wir als fertig ausgebildete Fachkraft in drei Jahren brauchen werden. Aber wir haben natürlich auch keine Glaskugel, die uns sagt, wie die Zukunft aussieht.

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