Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Firmengründungen Lesezeit 5 Min.

Interview: „Wir müssen die Forschungs-PS auf die Straße bringen“

Seit einiger Zeit steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland, zugleich gibt es im längerfristigen Vergleich zu wenige Firmengründungen. Klaus-Heiner Röhl, Senior Economist für Mittelstands- und Regionalpolitik im IW, erläutert im iwd-Interview die Gründe für diese Entwicklung und sagt, wie Deutschland die Start-up-Szene beleben könnte.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Energiepreisschock und die erschöpfte Globalisierung sind laut Klaus-Heiner Röhl, Senior Economist für Mittelstands- und Regionalpolitik im IW, die Hauptgründe für die steigenden Insolvenzzahlen in Deutschland.
  • Veränderungen in der Unternehmenslandschaft seien zwar normal, allerdings sind die Gründerzahlen in Deutschland vergleichsweise niedrig.
  • Es brauche einen Abbau von Bürokratie und Regulierungen, die vielen Unternehmen bislang den Einstieg verhageln.
Zur detaillierten Fassung

Die Zahl der Insolvenzen ist 2024 gestiegen. Sind das noch Nachwirkungen von Corona oder Ausdruck der multiplen weltweiten Herausforderungen derzeit?

Das verändert sich in der Tat gerade. Wir hatten erst die Coronajahre, in denen Anträge auf Insolvenz ausgesetzt wurden und die Wirtschaft massive Hilfen vom Staat bekam. Danach gab es eine Phase der Normalisierung, aber inzwischen sehen wir zunehmend die Folgen der Rezession, die wir in Deutschland seit mittlerweile zwei Jahren haben.

Lässt sich irgendein Faktor benennen, der die Insolvenzen besonders stark antreibt?

Ich denke, der Energiepreisschock ist besonders relevant – vor allem, weil er so plötzlich kam. Hinzu kommt für die Industrie die erschöpfte Globalisierung. So ist das Wirtschaftswachstum in China zuletzt gesunken und das Land drängt ausländische Unternehmen zunehmend vom Markt. All das macht deutschen Firmen, die vom China-Boom zuvor profitiert haben, schwer zu schaffen.

Klaus-Heiner Röhl ist Senior Economist für Mittelstands- und Regionalpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW

Welche Unternehmen hat es vor allem getroffen? Kleine, mittlere, große?

Normalerweise dominieren die kleinen Unternehmen das Insolvenzgeschehen. Dahinter steckt ein leicht nachvollziehbarer Prozess. Denken wir beispielsweise an das alteingesessene Restaurant um die Ecke, dessen Konzept oder Küche bei den Menschen nicht mehr so gut ankommt. Wenn dann nebenan ein neuer Gastronomiebetrieb aufmacht, der die Kunden begeistert, wird der alte Betrieb irgendwann aufgeben. Diese Dynamik in der Unternehmenslandschaft ist ja durchaus positiv.

Immer mehr große Unternehmen müssen schließen, viele Arbeitsplätze gehen dadurch verloren und die Banken verzeichnen hohe Forderungsausfälle.

Wir sehen jetzt aber vermehrt, dass immer mehr große Unternehmen schließen müssen, vor allem energieintensive Firmen und vermehrt Automobilzulieferer. Auch das kann man als Teil des derzeitigen Strukturwandels sehen, aber diese Insolvenzen verursachen schon relativ große wirtschaftliche Schäden – viele Arbeitsplätze gehen verloren und die Banken verzeichnen hohe Forderungsausfälle.

Das IW rechnet für 2025 mit weiter steigenden Insolvenzzahlen. Worauf stützt sich diese Einschätzung?

Dahinter steckt im Wesentlichen die Annahme, dass Deutschland nicht so schnell aus dem Konjunkturtief herauskommt und die Rezession noch weitere Unternehmen in Mitleidenschaft zieht.

Wir wissen natürlich nicht, wie schnell die künftige Bundesregierung die Konjunktur ankurbeln kann. Die zusätzlichen Mittel für Verteidigung und die Infrastruktur, von denen jetzt die Rede ist, könnten der Wirtschaft zweifellos Impulse geben und damit auch das Insolvenzgeschehen positiv beeinflussen. Höchstwahrscheinlich werden die jetzt geschmiedeten Pläne aber erst 2026 ausgabenwirksam und dürften die Konjunktur nicht schon im laufenden Jahr nach oben reißen.

Meldungen über steigende Insolvenzzahlen werden ja erst mal als schlechte Nachrichten wahrgenommen. Ist es aber angesichts des Fachkräftemangels nicht sogar gut, wenn in Schwierigkeiten geratene Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und profitable Firmen so leichter an neue Mitarbeiter kommen?

Wie gesagt, Veränderungen in der Unternehmenslandschaft sind ganz normal und gerade in der jetzigen ungünstigen demografischen Situation hat es auch seine guten Seiten, wenn Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und so Fachkräfte frei werden für neu gegründete Firmen.

Aber: Wir haben eben das Problem, dass die Gründerzahlen in Deutschland zuletzt zwar leicht gestiegen, längerfristig betrachtet mit etwa einer Viertelmillion jedoch auf sehr niedrigem Niveau sind. Vor allem sehen wir eine Schwäche bei der Neugründung von Hochtechnologieunternehmen. In den USA gibt es immer wieder Gründer von Hightechfirmen, die in wenigen Jahren zu Milliardären werden. Ein solches Wachstum von Technologie-Start-ups haben wir in Deutschland viel zu selten.

Woran liegt es denn, dass in Deutschland so wenige Unternehmen gegründet werden und diese zu selten wirklich durchstarten?

Das ist eine schwierige Frage. Wir haben ja tatsächlich ein gutes Forschungssystem – mit starken Hochschulen, vielen Forschungsinstituten und auch Transfereinrichtungen an den Universitäten, die sich um Ausgründungen aus der Forschung kümmern sollen. Aber wir sind weiterhin sehr schlecht darin, Forschungsergebnisse in Innovationen umzusetzen, die dann in wachstumsstarke Start-ups münden. Wir bringen sozusagen die vorhandenen Forschungs-PS nicht auf die Straße.

Welche Anreize beziehungsweise Hilfen erwarten Sie von der neuen Regierung, um die Zahl der Unternehmensgründungen zu steigern?

Unser Fördersystem ist gut aufgestellt – schon die letzte Große Koalition hat einen Zukunftsfonds aufs Gleis gesetzt, der erhebliche Mittel für Gründungen, auch in der Industrie, mobilisiert hat. Daran hakt es also nicht.

Deregulierung tut not, denn es geht bei Technologiegründungen immer auch um Geschwindigkeit.

Was wir allerdings brauchen, ist ein starker Abbau von Bürokratie und Regulierungen, die vielen Unternehmen den Einstieg verhageln. Oft müssen sich Gründer mehr um Formulare und beispielsweise die Konformität mit Sustainability-Regeln kümmern als um ihr eigentliches Geschäft.

Hinzu kommt die Taxonomie der Banken – sie müssen versuchen, ihr Portfolio grüner zu gestalten. Das führt dann dazu, dass etwa Rüstungs-Start-ups große Mühe haben, überhaupt ein Bankkonto zu bekommen, was in der aktuellen Situation ziemlich skurril ist.

Deregulierung tut also not, denn es geht bei Technologiegründungen immer auch um Geschwindigkeit. Wenn ein junges deutsches Unternehmen und ein US-Start-up die gleiche gute Idee haben, kann Letzteres aufgrund der unkomplizierten Genehmigungs- und Finanzierungsregelungen in den USA einfach viel schneller durchstarten.

Stichwort USA – dort denken viele Forscher aufgrund von Trumps Politik ernsthaft darüber nach, auszuwandern. Sollte sich Deutschland um diese Menschen aktiv bemühen?

Ja, das wäre sinnvoll. Im Gegensatz zu der völlig erratischen Politik der neuen US-Regierung könnte Deutschland den amerikanischen Fachkräften vor allem Rechtssicherheit bieten. Die Gehälter sind hierzulande zwar deutlich niedriger, das gilt aber auch für die Preise.

Um für ausländische Fachkräfte dauerhaft attraktiv zu sein, muss Deutschland jetzt aber auch eine Regierung zustande bringen, die übermäßige Regulierungen und Bürokratie durch eine echte Willkommenskultur ersetzt. Es darf nicht sein, dass qualifizierte ausländische Arbeitnehmer, die wir hier dringend brauchen, jahrelang auf ihre Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung warten müssen.

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