Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Bundeshaushalt Lesezeit 2 Min.

Interview: „Wir kommen bei den Zukunftsthemen nicht weiter“

Viele Aufgaben, begrenzte Mittel – die Gestaltung des Bundeshaushalts ist zunehmend kompliziert. Tobias Hentze, Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Sicherung im IW, kritisiert im iwd-Interview die Verschiebung von Investitionsmitteln und skizziert seine Vorstellungen vom Haushalt 2025.

Kernaussagen in Kürze:
  • Dass im Jahr 2023 deutlich weniger für Zukunftsthemen ausgegeben wurde als im Bundeshaushalt veranschlagt, findet IW-Steuerexperte Tobias Hentze ernüchternd.
  • Nach den Neuwahlen im Februar hofft er auf schnelle Koalitionsgespräche und einen Kernhaushalt noch vor der Sommerpause 2025.
  • Auch für die neue Regierung sei es unmöglich, mit den laufenden Einnahmen alle Herausforderungen gleichzeitig zu stemmen. Hentze plädiert deshalb dafür, die Schuldenbremse anzupassen.
Zur detaillierten Fassung

Im Haushalt 2023 waren etwa 21 Milliarden Euro mehr für Zukunftsthemen veranschlagt, als ausgegeben wurden. Wie bewerten Sie diese Diskrepanz?

Es ist ernüchternd, denn es zeigt: Der Bund schafft es nicht, das umzusetzen, was er sich vornimmt. Und wenn die Politik ihre Ziele verfehlt, ist das grundsätzlich ein schlechtes Zeichen. Gravierend an der Situation in Deutschland ist, dass in für unsere Zukunft wichtigen Feldern wie der Digitalisierung und dem Klimaschutz der Unterschied zwischen Soll- und Istwert besonders eklatant ausfällt.

Ist es gängig, dass solch große Posten im Haushalt im Nachhinein verschoben werden?

Es ist zumindest keine ganz große Überraschung, weil dahinter keine Posten stecken, in denen es gesetzliche Pflichten gibt wie zum Beispiel bei der Rente. Von daher hat der Bund die Möglichkeit, Dinge später oder kleiner umzusetzen und dadurch weniger Geld auszugeben, als ursprünglich geplant war. Es heißt aber auch, dass wir in den Zukunftsthemen nicht weiterkommen, und das ist für mich ein Alarmsignal.

Es ist im Grunde unmöglich, mit den laufenden Einnahmen alle Herausforderungen gleichzeitig zu stemmen.

Aufgrund der Neuwahlen im Februar steht Deutschland derzeit ohne Haushalt 2025 da. Kann das zu akuten Problemen führen?

Der Staat wird weiter seine Pflichten erfüllen, Renten werden ausbezahlt, auch Bauprojekte werden fortgeführt. Wenn jemand einen Antrag auf Zuschuss für eine energetische Sanierung gestellt hat, wird das Geld zum entsprechenden Zeitpunkt ausbezahlt. Von daher ist es keine Tragödie. Gleichwohl fehlen Impulse, um den Standort zu verbessern und die Wirtschaft anzukurbeln. Daher hoffe ich, dass sich nach der Bundestagswahl recht schnell eine neue Regierung findet und Ideen für mehr wirtschaftliche Dynamik auf den Weg bringt.

Tobias Hentze ist Leiter des Clusters Staat, Steuern und Soziale Sicherung im IW; Foto: IW Bis wann sollte der Haushalt 2025 nach der Wahl spätestens stehen?

Nach der Wahl kommen zunächst Sondierungs- und Koalitionsgespräche. Im besten Fall enden sie schnell mit der Bildung einer Regierung. Meine Hoffnung ist, dass der Haushalt vor der Sommerpause im Kern steht.

Die finanziellen Zwänge bleiben auch mit einer neuen Regierung. Erwarten Sie, dass diese – egal, wie sie aussieht – an die Schuldenbremse rangeht?

Es gibt eine starke Konkurrenz um einen Steuereuro. Der Bund zahlt mehr Zinsen, weil sie in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Der Bund zahlt aufgrund des demografischen Wandels im Sozialbereich viel Geld und er muss auch viel Geld für Investitionen ausgeben, weil wir da einen großen Bedarf haben. Außerdem muss der Bund die Verteidigung wieder in Schwung bringen.

Es ist im Grunde unmöglich, mit den laufenden Einnahmen alle Herausforderungen gleichzeitig zu stemmen. Vor diesem Hintergrund wäre es aus meiner Sicht richtig und zielführend, darüber zu sprechen, wie man die Schuldenbremse anpassen kann, damit die erforderlichen Zukunftsausgaben möglich sind.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene