Interview: „Wettbewerbsfähigkeit muss wieder großgeschrieben werden“
Der deutsche Export schwächelt bedenklich. Was die Gründe dafür sind und wie Deutschland sowie die EU mit Donald Trump umgehen sollten, erklärt Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte im IW, im iwd-Interview.
- „Der Export als Wachstumsmotor stottert. Das liegt daran, dass uns auf allen wichtigen Märkten Marktanteile wegbrechen“, sagt Jürgen Matthes, Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte im IW.
- In einer Welt, die durch Krisen geprägt ist und in der durch Protektionismus zusätzlich Sand ins Getriebe gestreut wird, würden eben auch die Absatzmöglichkeiten schwächer, so der Ökonom.
- Mit Blick auf die USA sagt Matthes, man solle mit vorsichtig ausgestreckter Hand auf Trump zugehen. Zugleich müsse die EU aber auch die Zoll-Keule hinter dem Rücken bereithalten.
Das deutsche Exportwachstum ist in den vergangenen Jahren erlahmt, 2023 und 2024 schrumpften die Ausfuhren sogar. Ist das deutsche Exportmodell am Ende?
Es ist zumindest in argen Schwierigkeiten. Der Export als Wachstumsmotor stottert. Das heißt, von der Ausfuhr, von der wir gewohnt sind, dass sie kräftige Wachstumsbeiträge beisteuert, kommt immer weniger. Das liegt daran, dass uns auf allen wichtigen Märkten Marktanteile wegbrechen.
Darüber hinaus werden in einer Welt, die durch Krisen geprägt ist und in der durch Protektionismus zusätzlich Sand ins Getriebe gestreut wird, die Absatzmöglichkeiten schwächer.
Donald Trump scheint entschlossen, einen Zollkrieg mit der EU anzuzetteln. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Das Problem ist, dass Trump unberechenbar ist. Er hat vor ein paar Wochen in Aussicht gestellt, dass es keine Zölle gibt, wenn Europa mehr Flüssiggas aus den USA kauft. Auf der anderen Seite treibt er alle paar Tage eine neue Zoll-Sau durchs Dorf. Das verunsichert natürlich. Grundsätzlich gilt: Wenn der größte wirtschaftliche Player mit den USA das Recht des Stärkeren ausruft und der Stärke des Rechts nicht den üblichen, verlässlichen Raum einräumt, wird es schwierig.
Die Rahmenbedingungen müssen besser werden. Auf EU-Ebene brauchen wir einen massiven Abbau bürokratischer Hürden und Berichtspflichten.
Haben Deutschland und die EU denn überhaupt eine Chance auf eine wirksame Gegenwehr?
Man sollte mit vorsichtig ausgestreckter Hand auf Trump zugehen und sagen: Wenn es keine Zölle gibt, sind wir bereit, an der einen oder anderen Stelle mehr von den USA zu kaufen. Da geht es nicht nur um Gas, sondern auch um Waffen, Sojabohnen und andere Agrargüter. Das Ziel sollte sein, Dinge, die noch einigermaßen in unserem Interesse sind, als Zugeständnisse zu verkaufen.
Zoll-Keule bereithalten
Das funktioniert aber nur, wenn sicher ist, dass nicht ein paar Monate später doch Zölle kommen. Es braucht eine klare Vereinbarung.
Neben der ausgestreckten Hand sollte die EU, um im Bild zu bleiben, die andere Hand mit der Zoll-Keule hinter dem Rücken bereithalten. Wir müssen glaubwürdig drohen können, dass, falls die USA Zölle auf eine ungerechtfertigte und schmerzhafte Art für die europäische Wirtschaft erheben, wir bereit sind, Gegenmaßnahmen umzusetzen.
Lassen wir die USA mal außen vor. Wie ließen sich auf EU-Ebene Exporte anstoßen?
Die Rahmenbedingungen müssen besser werden. Auf EU-Ebene brauchen wir einen massiven Abbau bürokratischer Hürden und Berichtspflichten, die in der vergangenen Legislaturperiode der EU-Kommission enorm zugenommen haben und den deutschen und europäischen Mittelstand überlasten. Wettbewerbsfähigkeit muss wieder großgeschrieben werden. Da müssen den schönen Worten nun Taten folgen.
Steuerpolitik und Sozialversicherungsabgaben sind zwar nationale Angelegenheiten, aber sie gehören – wenn man über Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität spricht – dazu. Auf europäischer Ebene geht es außerdem darum, Verkehrs-, Digital- und Energieinfrastruktur stärker grenzüberschreitend zu verbinden. Das erschließt den Binnenmarkt besser und kann das Energiekostenproblem verringern.
Und was können oder müssen die deutschen Unternehmen beitragen?
Es geht immer darum, im Wettbewerb beim Thema Innovationen die Nase vorn zu haben. Dazu zählt, sich Fachkräfte zu sichern und dafür zu sorgen, dass die Leute Spaß an der Arbeit haben und sich engagieren.
Die Unternehmen müssen auch bereit sein, zu investieren – sei es in Bildung, Forschung oder in schlaue Köpfe.
Wenn die deutschen Exportprodukte immer weniger gefragt sind, liegt es dann vielleicht auch an der Art der Produkte?
Ich sehe keinen nachhaltigen Grund dafür, dass Pharmazeutika, chemische Produkte, Maschinen oder Autos plötzlich in der Welt weniger gefragt sind. Wenn die Nachfrage weltweit grundsätzlich schwach ist, bekommt das eine exportorientierte Wirtschaft nun einmal besonders zu spüren.
Ein anderer Punkt, den wir sehen: Auf den Weltmärkten nehmen uns zunehmend chinesische Anbieter Marktanteile weg. Das mag zum Teil auf Effizienz und Innovation beruhen, aber wir wissen aus vielen Studien, dass die chinesische Regierung kräftig subventioniert. Vieles spricht außerdem dafür, dass die chinesische Währung unterbewertet ist und China uns so auf dem Weltmarkt teilweise unfaire Konkurrenz macht. Weil China ein großer Player im Welthandel ist, tut uns das vor allem in den Märkten mit den größten Wachstumspotenzialen weh, und das sind die Schwellenländer.