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China Lesezeit 2 Min.

Interview: „Unsere Industriebasis wird angefressen“

Deutsche Unternehmen kaufen immer mehr Waren in China ein, die nicht zuletzt wegen des günstigen Yuans wesentlich billiger sind als in anderen Drittstaaten. Warum sich die deutsche Industrie damit letztlich selbst schadet, erklärt Jürgen Matthes, Leiter des IW-Themenclusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der massive Einbruch der deutschen Exporte nach China in den ersten Monaten des Jahres verheißt nichts Gutes für die hiesige Industrie, sagt IW-Außenhandelsexperte Jürgen Matthes.
  • Er sieht keine Anzeichen, dass Peking die unfaire Wirtschaftspolitik aus Subventionen und unterbewerteter Währung bald beendet.
  • Matthes fordert, dass die EU ihre Industrie schützt, indem sie Maßnahmen gegen China ergreift. Dies solle möglichst im Rahmen der WTO-Regeln erfolgen, Pragmatismus sei aber im Zweifel wichtiger.
Zur detaillierten Fassung

Der deutsche Außenhandel mit China ist in diesem Jahr in ein massives Ungleichgewicht geraten. Haben Sie damit in dieser Deutlichkeit gerechnet?

Nein, denn man ist ja geprägt von den Zahlen aus der Vergangenheit und da haben wir so starke Ausschläge in der Regel nicht beobachtet, insbesondere nicht bei den Exporten, die nun innerhalb eines Jahres um 14 Prozent weggebrochen sind. Das ist schon bemerkenswert.

Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft und die Arbeitsplätze in der Industrie?

Jürgen Matthes ist Leiter des IW-Themenclusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte; Foto: IW Medien

Nichts Gutes, im Gegenteil. Wenn ich mit heimischen Unternehmen spreche, höre ich, dass sie zunehmend auf der Vorleistungsebene in China einkaufen und nicht mehr in Deutschland oder in Europa. Die chinesischen Waren sind oft 40, 50 Prozent billiger, heißt es immer wieder, und das sei ein unschlagbarer Vorteil beim Preis-Leistungs-Verhältnis, selbst wenn die Qualität meist nicht so gut ist wie bei deutschen Produkten. Wenn das so weitergeht, wird still und heimlich unsere Industriebasis angefressen und immer kleiner.

Wie werden sich die Handelsbeziehungen zu China im zweiten Halbjahr entwickeln? Wird das Ungleichgewicht noch größer werden?

Wir sehen momentan keine Anzeichen dafür, dass in China plötzlich die Nachfrage stärker anspringt. Zudem hat der Yuan gegenüber dem Euro und dem Dollar in den vergangenen Wochen abgewertet. Daher dürfte die Divergenz zwischen Exportschrumpfung und Importanstieg für Deutschland im Jahresverlauf eher noch größer werden.

Wenn heimische Beschäftigung durch unfairen Wettbewerb ernsthaft bedroht ist, brauchen wir Handelsschutzinstrumente gegenüber China.

Sie fordern eine Reaktion der EU auf Chinas Vorgehen. Herrscht denn in Brüssel überhaupt Einigkeit darüber, dass Chinas Handelspolitik ein Problem darstellt?

In jedem EU-Land gibt es Industrieunternehmen, insofern sind alle Mitgliedsstaaten und alle Branchen von der Unterbewertung des Yuan betroffen. Da sich Europa zuletzt wieder stärker den Erhalt der Industrie vorgenommen hat, sollte es möglich sein, dass alle EU-Länder an einem Strang ziehen.

Trump spielt unfair mit seinen Zöllen, China mit seinen Subventionen und allem Anschein nach auch mit seiner Währung. Sollte die EU nicht auch etwas moralfreier agieren?

Die EU sollte versuchen, so gut es geht, bei den Regeln der Welthandelsorganisation zu bleiben. Aber da, wo es gar nicht mehr anders geht, müssen wir eine gewisse Flexibilität und mehr Pragmatismus an den Tag legen, zumal der Handlungsdruck durch China weiter steigen wird.

Was heißt das konkret?

Wenn heimische Beschäftigung durch unfairen Wettbewerb ernsthaft bedroht ist, brauchen wir Handelsschutzinstrumente gegenüber China – also Ausgleichszölle gegen Dumping, Subventionen und die Yuan-Unterbewertung –, die in der Breite anwendbar sind. Da werden viele aufschreien und sagen: „Jetzt wird alles teurer!“ Aber es gibt nun mal kein Recht auf subventionierten Einkauf, wenn der Preis dafür die Erosion unserer Industriebasis ist.

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