Interview: „Patente sind der absolute Goldstandard der Innovation“
Mithilfe von Patenten können Privatpersonen und Unternehmen ihre Innovationen schützen. Warum der Patentmarkt trotz Schnelllebigkeit wächst und zudem immer mehr transnationale Patente angemeldet werden, erklärt Oliver Koppel, Teamleiter der IW-Patentdatenbank.
- Patente sind nach wie vor für forschende Unternehmen überlebenswichtig, sagt Oliver Koppel, Teamleiter der IW-Patentdatenbank.
- Koppel betont, dass weltweit immer mehr Patente in immer mehr Ländern angemeldet würden. In Deutschland sei die Zahl der Patentanmeldungen in den vergangenen Jahren allerdings leider zurückgegangen.
- Der Anteil der in Deutschland von einer Privatperson angemeldeten Patente ist Koppel zufolge deutlich gesunken. Innovationen seien heutzutage meist so komplex, dass sie die Fähigkeiten und Möglichkeiten einer natürlichen Person überstiegen.
Warum braucht es in einer schnelllebigen Welt noch Patente, die Erfindern einen bis zu 20 Jahre währenden Schutz ihrer Idee garantieren? Was heute innovativ ist, interessiert doch in einigen Jahren niemanden mehr.
Tatsächlich haben die großen und erfolgreichen Unternehmen heutzutage, ob die chinesischen wie Huawei oder die amerikanischen Tech-Unternehmen, natürlich alle Patente angemeldet. Patente sind weiterhin der absolute Goldstandard der Innovation. Dass die Produktlebenszyklen inzwischen so kurz wären, dass sich Patente kaum noch lohnen würden, ist falsch.
Ein forschendes Unternehmen ohne Patente wird nicht lange am Markt überleben.
Ein forschendes Unternehmen ohne Patente wird nicht lange am Markt überleben. Die Pharmabranche ist ein gutes Beispiel für die Sinnhaftigkeit des Patentschutzes: Wenn die Unternehmen für viel Geld und teure Forschung endlich ein neues Medikament entwickelt haben, lassen sie es natürlich schützen. Diese Firmen haben vor nichts mehr Angst, als dass ihr Patentschutz nach 20 Jahren wegfällt, weil sie dann aufgrund nun erlaubter günstiger Generika ihren Marktvorteil verlieren und mit den Preisen runtergehen müssen.
Wie sicher ist denn der Patentschutz weltweit?
Früher gab es Vorbehalte, dass der Patentschutz in China nicht richtig kontrolliert und auch nicht richtig durchgesetzt wird. Doch inzwischen ist der Patentschutz in China oft besser als in den USA. Die chinesische Regierung hat verstanden, dass, wenn sie sich zu einer Industriemacht aufschwingen möchte, sie ein vernünftiges Patent- und Rechtsschutzsystem haben muss. Die Volksrepublik hat das übrigens nicht getan, um die Amerikaner vor den Chinesen zu schützen, sondern um die innovativen chinesischen Unternehmen vor den Raubkopierern im eigenen Land zu schützen.
Welche Instanzen kontrollieren, ob der Patentschutz gewahrt wird?
Das sind typischerweise die Patentgerichte. In der Praxis sind es jedoch zuallererst die Konkurrenten. Sie beobachten auf Messen ganz genau, was der andere präsentiert und wie das geschützt oder eventuell nicht geschützt ist und ob das im Sinne eines Plagiats zu nah an dem Produkt dran ist, das sie selbst eigentumsrechtlich geschützt haben – zum Beispiel durch ein Patent, ein Gebrauchsmuster oder durch eine Marke. Bei einer vermeintlichen Patentrechtsverletzung kann beim zuständigen Patentgericht Klage eingereicht werden. Dann wird das überprüft und der Beklagte kann zum Beispiel zu einer Zahlung von Schadenersatz oder zur Unterlassung verurteilt werden.
Wie hoch kann so eine Strafe ausfallen?
Das kann richtig, richtig teuer werden, die Strafe kann durchaus eine Größenordnung von 500 Millionen Euro erreichen. Der Grund dafür, warum eine Patentrechtsverletzung so teuer zu stehen kommen kann, ist, dass derjenige, dessen Patentrechte verletzt werden, die kompletten Bänder des Verletzers stilllegen kann – selbst dann, wenn von 30.000 Komponenten, die etwa bei einer Automontage zusammenkommen, nur eine einzelne Komponente eine Patentrechtsverletzung darstellt. Deshalb kann eine Patentrechtsverletzung eine sehr starke Hebelkraft entfalten.
Es werden immer mehr Patente in immer mehr Ländern angemeldet.
Wie entwickeln sich die Patentanmeldungen weltweit?
Es werden immer mehr Patente in immer mehr Ländern angemeldet. Man spricht dann von transnationalen Patentanmeldungen, die also nicht nur in einem Land Schutzwirkung anstreben. Dass zunehmend Patente internationaler angemeldet werden, liegt daran, dass die Unternehmen immer internationaler aufgestellt und vernetzt sind.
Trifft diese Entwicklung auch auf Deutschland zu?
In Deutschland ist die Zahl der Patentanmeldungen in den vergangenen Jahren leider zurückgegangen, nur 2024 ist die Zahl leicht gestiegen. In China dagegen ist der Patentmarkt durch die Decke gegangen, weil das Land eine Hightech-Nation geworden ist, angefangen beim Mobilfunkstandard über künstliche Intelligenz bis zum Quantencomputing. Vor 20 Jahren, als China die verlängerte Werkbank der Welt war, gab es so gut wie gar keine chinesischen Patente. Auch Südkorea ist extrem gewachsen und die USA haben sich ebenfalls noch mal deutlich verstärkt.
In Deutschland ist die Zahl der Patentanmeldungen in den vergangenen Jahren leider zurückgegangen, in China dagegen durch die Decke gegangen.
Wie ist die Patentanmeldung in der EU geregelt?
Hier hat etwa durch die Einführung des EU-Einheitspatents in den vergangenen Jahren eine deutliche Harmonisierung stattgefunden. Früher musste ein Patent, das EU-weit gelten sollte, in jedem einzelnen Mitgliedsstaat angemeldet werden und man musste dafür bei den jeweiligen Patentämtern vorstellig werden und alles in die lokale Landessprache übersetzen lassen. Jetzt reicht es aus, ein Einheitspatent in den Standardsprachen Deutsch, Englisch und Französisch zu beantragen. Das hat das Prozedere deutlich günstiger und schneller gemacht. Das Gleiche gilt für das Einheitliche Patentgericht, wo Streitigkeiten, die ein europäisches Patent betreffen, nach einheitlichen Regeln und nicht nach unterschiedlichen Länderregeln entschieden werden.
Gibt es eigentlich noch Privatpersonen, die Patente anmelden?
Ja, die gibt es noch, wenn auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als früher. Mitte der 1990er Jahre ist noch jede vierte Patentanmeldung in Deutschland von einem Garagentüftler oder einer Garagentüftlerin hervorgebracht worden, also von einer natürlichen Person. Inzwischen sind es noch ungefähr 6 Prozent. Aber das ist in anderen Ländern nicht anders. Das liegt daran, dass in den Technologiebereichen, in denen heute Innovationen stattfinden – in der Datenverarbeitung oder der Entwicklung hochkomplexer Impfstoffe – eine einzelne Person kaum mithalten kann. Die Komplexität der Innovationen heutzutage ist in der Regel so groß, dass sie die erfinderischen Fähigkeiten und Möglichkeiten einer natürlichen Person übersteigt.