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Verkehrsinfrastruktur Lesezeit 4 Min.

Interview: „Die Sanierung der Verkehrsnetze ist kein Sprint, sondern ein Marathon“

Mit einem beträchtlichen Teil des Sondervermögens von 500 Milliarden Euro sollen Autobahnen, Brücken, Schienennetze und Wasserstraßen saniert werden. Ob das Geld reicht und wie schnell die Verkehrsinfrastruktur instand gesetzt werden kann, weiß Thomas Puls, Senior Economist für Verkehr und Infrastruktur im IW.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu sanieren, sind bis 2029 etwa 170 Milliarden Euro eingeplant, sagt IW-Verkehrsexperte Thomas Puls.
  • „In der Vergangenheit wurden allerdings sämtliche Erhöhungen leider von Preissteigerungen aufgefressen. Und dieses Risiko besteht wieder“, warnt er.
  • Als Grund für erneute mögliche Preissteigerungen nennt Puls das angedachte Tempo für die Instandsetzungen: „Die Politik versucht, die Sanierungsvorhaben unbedingt schnell und möglichst gleichzeitig durchzuführen, aber dafür fehlen die Kapazitäten.“
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Sie haben herausgefunden, dass sehr viele Unternehmen in Deutschland unter der schlechten Straßenverkehrsinfrastruktur leiden. Können Sie uns ein, zwei Beispiele nennen?

Das sind beispielsweise die vielen Metallunternehmen, die ihren Sitz am schon seit Langem gesperrten Teilstück der A45 haben. Zwar soll die Talbrücke Rahmede bei Lüdenscheid ab kommendem Februar wieder befahrbar sein, aber in dem ganzen räumlichen Umfeld sind natürlich alle Betriebe massiv betroffen, weil ihr wichtigster Autobahnzugang weggefallen ist. Das trifft ganz besonders Schwersttransporte.

Viele Güter ließen sich auch mit der Bahn transportieren. Doch die Zahl der Unternehmen, die über die Zustände bei der Bahn klagen, hat sich innerhalb von nur drei Jahren verdoppelt.

Jeder merkt es derzeit oder spürt es am eigenen Leib, dass das Schienennetz in einer Krise steckt. Auch wenn jetzt die ersten Sanierungsbestrebungen angelaufen sind, trifft es die verladenden Unternehmen besonders hart, weil Güterzüge bei fehlenden Kapazitäten die geringste Priorität haben.

Man muss die Verkehrsnetze verbessern, wo man kann. Aber Politik und Bevölkerung sollten nicht glauben, dass sich alles lösen lässt.

Den Güterverkehr stark getroffen hat auch die Sperrung der für ihn extrem wichtigen Riedbahn zwischen Juli und Dezember 2024, da sie die Fahrzeit massiv verlängert hat. Ein anderes Beispiel ist der alpenquerende Verkehr: Hier sind zuletzt viele Züge einfach ausgefallen.

Thomas Puls ist Senior Economist für Verkehr und Infrastruktur im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Da auch die Wasserstraßen und der Flugzeugverkehr aus Unternehmenssicht nicht einwandfrei laufen: Sind Flugtaxis oder autonom fliegende Drohnen, die Waren transportieren können, die Lösung? Das würde auch die Straßen entlasten …

Ich glaube, der normale Autofahrer ist schon mit der zweidimensionalen Fahrt ausgelastet. Wenn noch die Dimension Höhe dazukommt, wird es endgültig zu viel. Von daher bin ich etwas skeptisch, was Flugtaxis angeht. Drohnen kann ich mir als Transportmittel für Pakete vorstellen, aber nicht für große Massen. Es gab ja mal die Idee eines Zeppelins für Schwersttransporte, doch dieses Vorhaben ist krachend gescheitert.

Deutschland will mithilfe des 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens die Infrastruktur sanieren. Wie viele Milliarden davon sind für die Verkehrsinfrastruktur vorgesehen?

Für die Verkehrsinfrastruktur sind bis 2029 etwa 170 Milliarden Euro eingeplant. Was wir allerdings sehen, ist, dass es eine massive Verlagerung aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen gibt. Das betrifft vor allem die Schiene: Da gehen zwar fast 19 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hinein, gleichzeitig fallen aber 14 Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt auch wieder heraus.

Preissteigerungen könnten die zusätzlichen Investitionen auffressen.

Dennoch haben wir inzwischen Investitionsansätze für die Verkehrsinfrastruktur von mehr als 30 Milliarden Euro auf Bundesebene, und das ist bemerkenswert. In der Vergangenheit wurden allerdings sämtliche Erhöhungen leider von Preissteigerungen aufgefressen. Und dieses Risiko besteht wieder, weil die Politik versucht, die Sanierungsvorhaben unbedingt schnell und möglichst gleichzeitig durchzuführen, aber dafür fehlen die Kapazitäten.

Reicht das veranschlagte Geld, um die Verkehrsinfrastruktur zu sanieren?

Nein. Allein die Autobahngesellschaft hat das Investitionsdefizit für zu sanierende Autobahnen und Bundesstraßen auf knapp 12 Milliarden Euro beziffert für den Zeitraum 2026 bis 2029.

Wenn alles optimal liefe, also genug Geld und genug Fachkräfte für die Sanierung der Verkehrsnetze da wären: Wann wären alle Sektoren instand gesetzt?

Wenn wir wirklich alles sanieren inklusive der Dinge, die in den Kommunen im Argen liegen – und im kommunalen Bereich ist das viel –, und die Kapazitäten wirklich vorhanden wären: Ich schätze, das würde bestimmt 15 bis 20 Jahre dauern.

Doch allein im kommunalen Bereich haben wir in der Verkehrsinfrastruktur laut Deutschem Institut für Urbanistik einen geschätzten Investitionsbedarf von mehr als 370 Milliarden Euro. Das sind Geldmengen, die können wir nicht abrufen.

Was heißt das nun für die Verkehrsnetze?

Das heißt, man muss es verbessern, wo man kann. Aber Politik und Bevölkerung sollten nicht glauben, dass sich alles lösen lässt.

Viele Autobahnbücken und Schleusen sind sanierungsbedürftig.

Wichtig ist auch, zu berücksichtigen, dass das Ganze kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Deshalb bin ich skeptisch bezüglich der Aussage der Bundesregierung, dass sie die Hälfte des Sondervermögens in den ersten vier Jahren ausgeben will. Natürlich verstehe ich den politischen Anreiz dahinter, aber Infrastruktur ist nichts, was sich besonders schnell ändert. Zumal ein solches Vorgehen aufgrund der personellen Engpässe und des langwierigen Planungsrechts in erster Linie dazu führen würde, dass die Baupreise steigen.

Wie sehen denn sinnvollerweise die ersten Kilometer auf diesem Marathon aus?

Jetzt zuerst die Korridorsanierungen bei der Bahn zu machen, ist der richtige Schritt. Es wäre natürlich schöner, im laufenden Betrieb zu sanieren, aber wenn wir das in den vergangenen 20 Jahren nicht vernünftig hingekriegt haben, müssen wir was Neues versuchen.

Der zweite Schritt sind die Autobahnbrücken. Viele von ihnen sind sanierungs- oder ersatzbedürftig. Das gilt drittens ebenso für viele Buhnen, Wehre und Schleusen, wobei man schauen mus, ob die jeweiligen Wasserstraßen noch wirtschaftlich genutzt werden oder da überwiegend Freizeitboote fahren.

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