Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Immobilien Lesezeit 5 Min.

Interview: „Das Infrastrukturpaket macht Hoffnung“

Der Wohnungsmangel ist seit Jahren ein großes Problem in Deutschland. Im iwd-Interview erklären die IW-Immobilienexperten Michael Voigtländer und Pekka Sagner, welche Maßnahmen im Koalitionsvertrag ihnen Hoffnung auf Besserung machen, weswegen der Fortbestand der Mietpreisbremse kritisch ist und warum Deutschland Investoren aus dem Ausland braucht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Er habe den Eindruck, dass die Politik ein stärkeres Problembewusstsein beim Thema Wohnen hat, sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. So sei das Vorhaben der Regierung, von Standards abzuweichen und schneller Bauland auszuweisen, vielversprechend.
  • Sein Kollege Pekka Sagner sieht es vor allem positiv, dass laut Koalitionsvertrag im Wohnungsmarkt Strukturreformen angegangen werden, die zwar kurzfristig keine Entlastung bringen, aber längst überfällig sind.
  • Auch die angedachten Verbesserungen für die energetische Sanierung sind für beide sinnvoll. Problematisch ist dagegen der Fortbestand der Mietpreisbremse, die erwiesenermaßen Investitionen im Immobilienmarkt hemmt.
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Traum- oder Albtraumjob – was hat Verena Hubertz als neue Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bekommen?

Voigtländer: Es ist immer eine Ehre, Bundesministerin oder Bundesminister zu sein. Sie hat aber das Problem, dass sie erst einmal schlechte Nachrichten verkünden muss, denn die Zahl der fertiggestellten Wohnungen sinkt auch in diesem Jahr. Das ist eine gewisse Bürde, aber ich hoffe, dass sie schnell das Ruder herumreißt.

Sagner: Sie hat vielleicht die Chance, den Aufschwung des Immobilienmarktes zu begleiten. In diesem Jahr schätzen wir, dass 230.000 Wohnungen fertiggestellt werden – deutlich mehr als 300.000 bräuchten wir. Aber es besteht die Hoffnung, dass die Talsohle zumindest bei den Baugenehmigungen bald erreicht ist. Es muss in Deutschland schlicht mehr gebaut werden.

Seit Jahren verspricht die jeweilige Regierung mehr Wohnungsbau, das Gegenteil passiert. Was stimmt Sie optimistisch, dass es dieses Mal klappt?

Voigtländer: Mein Eindruck ist schon, dass die Politik ein stärkeres Problembewusstsein hat und das Thema anpacken möchte. Sie stellt auch Themen infrage, die man in der Vergangenheit noch nicht anfassen wollte. Zum Beispiel, wenn es um das Abweichen von Standards oder das schnellere und einfachere Ausweisen von Bauland geht. Es geht daher in die richtige Richtung. Trotzdem sind die Herausforderungen groß, weil die Baukosten hoch sind und die Zinsen nicht wirklich stark nachgeben.

Im Koalitionsvertrag ist vom Wohnungsbau-Turbo die Rede. Was kann man sich darunter vorstellen?

Voigtländer: Es geht vor allem um das Ausweisen von Bauland. Wenn eine Kommune Bauland schaffen möchte, muss sie sich mit sehr vielen Einwänden auseinandersetzen, zum Beispiel, ob die Fläche nicht ein Parkplatz sein müsste oder wie es mit dem Verkehrslärm aussieht. In Köln sind das bei einem typischen Bebauungsplan rund 1.000 Einwände, die es sorgsam abzuarbeiten gilt. Der Wohnungsbauturbo soll es ermöglichen, Bauland prioritär auszuweisen, sodass Einwände nicht erlaubt sind. Diese Ausnahmeregelung stammt aus der Zeit der Flüchtlingskrise von 2015, als man schnell viel Wohnraum auf einmal brauchte. Der Turbo ist aber kein Automatismus, eine Kommune muss schon den Willen haben, das unbürokratisch umzusetzen.

Sagner: Was mir beim Koalitionsvertrag Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass wichtige Strukturreformen angegangen werden. Kurzfristig werden sie zwar nicht die notwendige Entlastung bringen, sie sind aber seit Jahren überfällig und werden dafür sorgen, dass sich effizienter und kostengünstiger bauen lässt.

Die Verlängerung der Mietpreisbremse ist kritisch. Aus ökonomischer Sicht belegen Studien, dass sie die Investitionen hemmt, vor allem langfristig.

Und welche Vorhaben der neuen Bundesregierung sehen Sie kritisch?

Voigtländer: Unter den Mietpreisregulierungen ist sicherlich das eine oder andere, was die guten Ansätze konterkarieren kann. So sollen etwa die Indexmieten gekappt werden. Diese Regelung ist aber gerade für Neubauinvestoren sehr wichtig, denn sie besagt, dass die Mieten mit der Inflation steigen. Wenn die Indexmieten nicht mehr möglich sind, bedeutet das für Investoren, dass sie die Mietsteigerung nicht in dem Maße bekommen und so die Realwertsicherung nicht gegeben ist.

Sagner: Die Verlängerung der Mietpreisbremse ist ebenfalls kritisch. Dieses Instrument wurde 2015 eingeführt, um kurzfristig den Markt zu entlasten, bis die Bautätigkeit steigt. Aus ökonomischer Sicht belegen Studien, dass eine Mietpreisbremse die Investitionen hemmt, vor allem langfristig. Und wir haben sie bereits seit zehn Jahren. Man erreicht leider das Gegenteil des erhofften Ziels und verstärkt den Druck auf den Markt.

Ein wichtiger Aspekt für den Wohnungsmarkt ist die Sanierung bestehender Gebäude. Welche Maßnahmen sind für die Bestandssicherung angedacht?

Voigtländer: Für mich ist das der beste Teil im Koalitionsvertrag, weil sich die Rahmenbedingungen für die energetische Sanierung verbessern. Man setzt den Fokus auf Emissionseffizienz statt auf Energieeffizienz. Bisher stehen die Kosten, je höher die Energieklasse wird, in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Um Klimaneutralität zu erreichen, kommt es aber vor allem darauf an, erneuerbare Energien einzusetzen. Und dafür brauche ich kein Haus mit Energieklasse A, da reicht ein niedrigerer Standard. Da nun der CO2-Ausstoß in den Blick genommen wird statt des Energieverbrauchs, ergeben sich deutlich mehr Möglichkeiten für pragmatischere Sanierungen.

Wir können im Immobiliensektor nicht auf ausländisches Kapital verzichten.

Auch externe Effekte wie Handelskonflikte wirken sich auf den Wohnungsmarkt aus. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, dem etwas entgegenzusetzen?

Voigtländer: Letztlich beeinflussen Dinge wie geopolitische Konflikte oder auch Maßnahmen wie das Schuldenpaket der Bundesregierung den Zins. Diesen Faktor können wir nicht steuern, sondern nur mit ihm umgehen. Die Konsequenz ist aktuell, dass wir nicht von deutlich sinkenden Zinsen in der nächsten Zeit ausgehen können. Investoren haben daher nicht unbedingt das Gefühl, noch abwarten zu müssen. Das ist grundsätzlich gut für den Immobilienmarkt, weil die Transaktionen tendenziell zunehmen sollten.

Michael Voigtländer ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte im IW, Pekka Sagner ist Immobilienexperte im IW; Fotos: IW Medien Sagner: Für die privaten Haushalte ist die Kalkulation aktuell dagegen alles andere als einfach. Da spielt die Außenpolitik von Trump und die Frage, wo es mit unserer Wirtschaft hingeht, sicherlich eine Rolle. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt derzeit schwierig ist.

Was Hoffnung macht, ist das Infrastrukturpaket der Regierung. Es ist für viele Wirtschaftsbereiche und Regionen in Deutschland ein Segen. Bessere ÖPNV-Anbindungen ins Umland, eine schnelle Internetverbindung – diese Dinge können den Wert von bestehenden Wohngebieten stabilisieren oder steigern. Und sie machen Neubauten attraktiver, wenn die Infrastruktur schon an Ort und Stelle steht.

In unsicheren Zeiten sind deutsche Immobilien auch aus dem Ausland sehr gefragt. Sollte man diese Kaufmöglichkeiten einschränken, um die Marktsituation für die Bundesbürger zu verbessern?

Sagner: Das können wir beide klar mit Nein beantworten. Zum einen ist der Anteil internationaler Investoren am deutschen Immobilienmarkt gar nicht so groß. Selbst im Luxusimmobiliensegment in München sprechen wir von weniger als 10 Prozent. Zum anderen brauchen wir dieses große Kapital internationaler Investoren. Nur mit dem Geld privater Kleinanleger ist der nötige Wohnungsbau nicht zu bewerkstelligen.

Diese Investoren sind keine Heuschrecken, die mancher vielleicht vor Augen hat, sondern meist große Immobilienfonds, die langfristig denken. Deutschland ist für sie interessant, weil die Wachstumsaussichten gut sind. Berlin ist das beste Beispiel: Das prognostizierte Bevölkerungswachstum dort macht eine Investition attraktiv, weil die langfristige Vermietbarkeit gegeben ist.

Voigtländer: Vor der Baukrise gab es viele Diskussionen darüber, ob die ausländischen Investoren die Mietpreise hochtreiben. Als sie dann aber weitestgehend weg waren, fehlte es massiv an Investitionen im Neubau und in der Sanierung. Die Lehre ist: Wir können auf dieses Kapital nicht verzichten. Oftmals investieren sie auch in Mietwohnungen, die der einheimischen Bevölkerung zur Verfügung stehen.

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