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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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USA Lesezeit 5 Min.

Interview: „Amerika erwartet, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt“

Wie werden sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland künftig entwickeln? Und macht es überhaupt einen Unterschied, ob Donald Trump oder Kamala Harris das Rennen um die Präsidentschaftswahl gewinnt? Antworten darauf gibt die US-Bürgerin Julia Friedlander, Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke. Die 1952 gegründete gemeinnützige Organisation mit Sitz in Berlin fördert die deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Kernaussagen in Kürze:
  • „Egal, wer von beiden gewinnt, ob Kamala Harris oder Donald Trump: Beide werden eine ähnliche Außenpolitik betreiben, nur mit einer anderen Tonalität", sagt Julia Friedlander, Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke.
  • „Dass Amerika erwartet, dass Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mehr Verantwortung in der internationalen Verteidigungspolitik übernimmt, ist ja kein Geheimnis."
  • Ähnliches gelte für die Chinapolitik: „Sowohl Harris als auch Trump werden erwarten, dass Deutschland eine etwas härtere Kante gegen China zeigt. Und wenn dies nicht passiert, wird man sich fragen, warum sich die USA weiterhin dafür einsetzen sollen, die deutschen Interessen zu schützen", so Friedlander.
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2016 schaffte es Hillary Clinton nicht, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden. Sind die USA jetzt bereit für eine Frau als Staatsoberhaupt?

Ja, auf jeden Fall. Die Umfragen, die einen leichten Vorsprung für Harris ausweisen, zeigen, dass die USA nicht nur bereit sind für eine Frau als Präsidentin, sondern auch für eine Frau mit einem etwas bunteren ethnischen Hintergrund.

In Deutschland versteht man nur schwer, warum Donald Trump so beliebt bei den US-Bürgern ist, dass auch er laut Wahlprognosen die Präsidentschaftswahl Anfang November noch gewinnen könnte. Können Sie uns dieses Trump-Phänomen erklären?

Es gibt drei Gründe. Der erste lautet: Die republikanische Partei bildet keine geschlossene Einheit mehr. Der Neokonservatismus von George W. Bush existiert nicht mehr oder nur in ganz kleinen Kreisen der republikanischen Partei. Die Einsätze im Irak und in Afghanistan während der Bush-Ära haben zu einer gewissen Kriegsmüdigkeit geführt. Zudem haben wir die negativen Folgen der Globalisierung zu spüren bekommen: eine voranschreitende De-Industrialisierung, die zu einer Ablehnung des Freihandelskonzepts führte und zu einer Rückkehr der Zollpolitik.

Sowohl Harris als auch Trump werden erwarten, dass Deutschland eine etwas härtere Kante gegen China zeigt.

Zweitens gibt es seit 2016 eine große Lust in den USA, das System zu brechen, weil es für viele in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr funktioniert. Donald Trump hat deshalb auch sehr viele Stimmen aus demokratischen Kreisen gewonnen, aus Arbeiterkreisen beispielsweise, die gesagt haben: „Die Demokraten haben mir viel versprochen, aber nicht geliefert.“

Der dritte Grund ist, dass die republikanische Partei Kult geworden ist und dass sich die Republikaner von ihrer Kultfigur Trump nicht lösen können.

Julia Friedlander ist Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke; Foto: David Ausserhofer

Falls Trump gewinnt: Wie werden sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen unter seiner Präsidentschaft entwickeln?

Egal, wer von beiden gewinnt, ob Kamala Harris oder Donald Trump: Beide werden eine ähnliche Außenpolitik betreiben, nur mit einer anderen Tonalität. Dass Amerika erwartet, dass Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mehr Verantwortung in der internationalen Verteidigungspolitik übernimmt, ist ja kein Geheimnis. Das gilt auch für die Chinapolitik: Sowohl Harris als auch Trump werden erwarten, dass Deutschland eine etwas härtere Kante gegen China zeigt. Und wenn dies nicht passiert, wird man sich fragen, warum sich die USA weiterhin dafür einsetzen sollen, die deutschen Interessen zu schützen. Die Demokraten werden dies lediglich diplomatischer formulieren als Donald Trump, aber die Grundsatzpolitik ist ähnlich.

Donald Trump will die heimische Wirtschaft mithilfe von Zöllen schützen, Kamala Harris mittels Subventionen. Sind solche Instrumente effektive Werkzeuge in der internationalen Politik?

Durchaus, die Biden-Administration hat ja gerade einen 100-Prozent-Zoll auf Elektroautos aus China eingeführt. Auch andere Zölle wie die auf Stahl und Aluminium, die unter Trumps Präsidentschaft eingeführt wurden, sind von Biden beibehalten worden. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass die Zollpolitik auch künftig fortgesetzt wird, auch unter den Demokraten. Es wird wohl selbst unter Trump keinen 10-Prozent-Zoll auf alle Warenimporte geben, aber für einzelne Waren durchaus.

In der Regel bleiben Zölle und andere protektionistische Maßnahmen von den Handelspartnern nicht unbeantwortet. Letztlich steigen dadurch überall die Preise für die Konsumenten …

Ja, aber aufgrund der massiven chinesischen Subventionspolitik bleibt den USA keine andere Wahl, wenn sie die heimische Industrie schützen wollen. Das war übrigens auch die Argumentation von EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, als er Zölle gegen chinesische E-Autos verhängte: Wir haben keine faire Verhandlungsbasis, wir sind jetzt im Reaktionsmodus.

Warum hat der Freihandel aktuell so einen schlechten Stand?

Wenn Sie durch die USA reisen, sehen Sie überall leer stehende Fabriken. Das Freihandelsabkommen NAFTA zum Beispiel hat dazu geführt, dass innerhalb von wenigen Jahren 9.000 Fabriken in den USA geschlossen haben. Die Folgen von NAFTA für die USA waren wirklich schwerwiegend, während Deutschland überwiegend Vorteile davon hatte, weil die deutsche Wirtschaft anders aufgebaut ist als in den USA. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Globalisierung neue komparative Vorteile schafft, nicht nur für China, sondern in der Weltwirtschaft insgesamt. Und möglicherweise ist die aus den 1980er Jahren stammende Regelungsbasis der Welthandelsorganisation für diese neue Entwicklung nicht geeignet.

Unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahl gewinnt: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die deutsch-amerikanischen Beziehungen in den nächsten Jahren?

Die größte Herausforderung dürfte in der Wirtschafts- und Industriepolitik liegen, denn alle Industrieländer kämpfen mit denselben Herausforderungen und der drängenden Frage: Woher kommt unser Wohlstand in den kommenden Jahren? Hier könnte es zu Konflikten kommen, wenn beide Länder andere Vorstellungen darüber haben, wie man diese Frage beantworten sollte.

Wenn man demokratische Werte verteidigen will, heißt das manchmal eben auch, dass man aufrüsten muss.

Eine weitere Herausforderung ist die Regulierung der Zukunftstechnologien: Wie lässt sich die Elektromobilität voranbringen, wie lässt sich künstliche Intelligenz regulieren, wie sind die Kapazitäten in der Verteidigungspolitik? Wie werden wir die Ukraine weiter bewaffnen, wie werden wir eine Stabilität im innerpazifischen Raum herstellen? Das sind alles Felder, wo Deutschland bislang gedacht hat: Das spielt für uns keine Rolle. Aber wenn man demokratische Werte verteidigen will, heißt das manchmal eben auch, dass man aufrüsten muss. Das ist innerhalb der Atlantik-Brücke ein Hauptthema, dass das verteidigungspolitische Engagement Deutschlands größer werden muss.

Und wie sehen Sie das Verhältnis zwischen den USA und der EU?

Ich bin der Meinung, die Zukunft der Wirtschaftsordnung liegt nicht in der Zollpolitik, sondern in der Standortpolitik und Regulierung. Und hier lernen die USA sehr viel von der EU. Wir in Amerika haben beispielsweise keine eigene Behörde für Digitales, aber die GDPR, die Datenschutz-Grundverordnung der EU, wird in den USA umgesetzt. Wahrscheinlich werden wir auch den AI Act zum Teil in den USA umsetzen, weil Europa für die US-Firmen ein Riesenmarkt ist – so, wie die USA ein unerschöpflicher Markt für deutsche Autokonzerne sind. Wir regulieren uns also erfolgreich gegenseitig.

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