In guter Gesellschaft
Im vergangenen Jahr mussten Kapitalgesellschaften in Deutschland effektiv knapp 30 Prozent ihrer Gewinne an den Fiskus abführen. Damit ist die Bundesrepublik zwar kein Niedrigsteuerland – aber international tätige Unternehmen werden auch nicht sonderlich abgeschreckt, sich hierzulande niederzulassen.
- Im vergangenen Jahr mussten Kapitalgesellschaften in Deutschland effektiv knapp 30 Prozent ihrer Gewinne an den Fiskus abführen.
- Der Körperschaftssteuersatz ist im Jahr 2008 von 25 auf 15 Prozent gesenkt worden.
- Der effektive Durchschnittssteuersatz liegt mit 29,5 Prozent um rund einen Prozentpunkt unter der Tarifbelastung.
Im Jahr 2008, also unmittelbar vor Beginn der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, ist in Deutschland die Unternehmenssteuerreform in Kraft getreten. Erklärtes Ziel der damaligen Großen Koalition war es, die steuerlichen Standortbedingungen zu verbessern. Die tarifliche Gesamtbelastung der Gewinne von Aktiengesellschaften – also Körperschaftssteuer plus Gewerbesteuer – sollte unter die Marke von 30 Prozent sinken. Im Jahr 2005 waren es noch knapp 39 Prozent.
Um die mit der Reform verbundenen Steuerausfälle zu begrenzen, wurde gleichzeitig eine umfangreiche Gegenfinanzierung beschlossen. Sie reichte von der Abschaffung der degressiven Abschreibung bei Maschinen bis hin zur Zinsschranke. Degressiv heißt, dass am Beginn der Abschreibungsperiode ein größerer Anteil des Kaufpreises und danach immer weniger als Kosten geltend gemacht werden kann. Zinsschranke heißt, dass gezahlte Zinsen grundsätzlich nur noch bis zu 30 Prozent des Gewinns unmittelbar als Kosten steuerlich geltend gemacht werden dürfen.
Um das Reformergebnis vorwegzunehmen: Diesem Hü und Hott zum Trotz hat sich die Situation für die als Kapitalgesellschaften firmierenden Unternehmen spürbar verbessert:
Tarifliche Belastungen. Der Körperschaftssteuersatz ist im Jahr 2008 von 25 auf 15 Prozent gesenkt worden. Zusammen mit der Gewerbesteuer beträgt deshalb die tarifliche Belastung des Gewinns einer Kapitalgesellschaft heute lediglich noch 30,6 Prozent (Grafik).
Damit rangiert Deutschland international gesehen im oberen Mittelfeld. Wichtige Wettbewerber wie die USA, Japan und Frankreich besteuern ihre Unternehmen höher. Andere wiederum – zum Beispiel Großbritannien und die Niederlande – greifen ihren Unternehmen längst nicht so tief in die Tasche.
Effektive Belastung. Die Tarife sind allerdings nur die eine Seite der Medaille. Die andere besteht aus den Vorschriften zur Gewinnermittlung. Dazu gehören vor allem die Abschreibungsbedingungen und die Vorschriften zur Bewertung der Vorräte – etwa von Erzen, die für die Produktion gebunkert werden.
Ein hoher tariflicher Steuersatz kann unter anderem dadurch reduziert werden, dass eine Anlage schneller abgeschrieben werden darf, als sie sich abnutzt. Das gilt zum Beispiel für Belgiens Kapitalgesellschaften, die deshalb in puncto Ertragsbesteuerung letztlich nicht mehr so schlecht abschneiden, wie es auf dem Papier hinsichtlich der Steuertarife aussieht. Ähnliches gilt für die Niederlande. Umgekehrt hat Großbritannien zwar einen recht niedrigen Tarif, aber ungünstige Regeln zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns, was das Land in der Rangliste der tatsächlichen Steuerbelastung nach oben katapultiert.
In Deutschland sorgen die Abschreibungsrichtlinien immerhin dafür, dass die tatsächliche Belastung etwas geringer ist als die tarifliche – und dass das Ziel, die 30-Prozent-Marke zu unterschreiten, erreicht wird:
Der effektive Durchschnittssteuersatz liegt mit 29,5 Prozent um rund einen Prozentpunkt unter der Tarifbelastung.
Deutschland ist damit zwar kein Niedrigsteuerland, international tätige Unternehmen werden bei ihrer Standortentscheidung aber auch nicht massiv abgeschreckt. Denn wichtige europäische Konkurrenten weisen ein ähnliches oder sogar leicht höheres Steuerniveau auf – zum Beispiel Spanien, das Vereinigte Königreich und Frankreich.
Trotzdem könnte in Deutschland über kurz oder lang eine Tarifsenkung notwendig werden – denn die Konkurrenz schläft nicht:
- In Frankreich hat der neue Premierminister Manuel Valls angekündigt, den Körperschaftssteuersatz bis 2020 auf 28 Prozent zu senken. Weil Paris bisher erhobene Zusatzbelastungen ebenfalls abschaffen will, hätten Kapitalgesellschaften in Frankreich unter dem Strich einen Wettbewerbsvorteil.
- In Spanien beabsichtigt Ministerpräsident Mariano Rajoy, den Körperschaftssteuersatz auf 20 Prozent zu senken.
Sollten diese Ankündigungen zu einem allgemeinen Trend in Europa werden, müsste Deutschland nachziehen. Steuerausfälle wären aber insofern verkraftbar, als die jüngste Steuerschätzung ein Allzeithoch bei den Unternehmenssteuern vorhersagt (Interview).
Nachgefragt
Nachgefragt bei Ralph Brügelmann, Experte für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Wenn andere Länder ihre Körperschaftssteuertarife senken, muss Deutschland nachziehen, sagen Sie. Wäre das für den Finanzminister verkraftbar?
Jede Steuersenkung kostet Geld. Aber ein Rückgang des Wirtschaftswachstums kostet den Staat am Ende wesentlich mehr, denn dann verlieren die Einnahmen aus allen Steuerarten an Dynamik. Gegenwärtig kostet eine Körperschaftssteuersenkung um 1 Prozentpunkt einschließlich Solidaritätszuschlag rund 2 Milliarden Euro. Das scheint verkraftbar, weil die jüngste Steuerschätzung allein für dieses Jahr knapp 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen prognostiziert, bis 2018 werden die Einnahmen von heute 640 Milliarden Euro auf annähernd 740 Milliarden Euro steigen.
Sie haben in Ihrer Untersuchung nur die Unternehmensseite berücksichtigt. Aber es gibt auch noch die Anteilseigner, die auf den ausgeschütteten Gewinn ebenfalls Steuern zahlen. Kommt man dann nicht schnell zu Steuersätzen von 50 Prozent und mehr?
In der Tat. Die tarifliche Gesamtbelastung ausgeschütteter Gewinne beträgt bei dem von uns unterstellten Gewerbesteuerhebesatz 49 Prozent. Dies ist mehr als der Reichensteuer-Spitzensatz der Einkommenssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag.