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Pflegeversicherung Lesezeit 3 Min.

Haushalte könnten Pflegekosten stemmen

Die Kosten der stationären Pflege steigen stetig. Die Regierung hat deshalb Anfang des Jahres den staatlichen Leistungszuschlag auf die privat zu zahlenden Pflegesätze erneut angehoben. Doch war das überhaupt nötig? Eine neue IW-Studie zeigt: Die meisten Haushalte könnten die Kosten für die Heimpflege durchaus selbst finanzieren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Jahr 2023 hätten rund sieben von zehn Rentnerhaushalten die stationären Pflegekosten für bis zu fünf Jahre aus ihrem Einkommen sowie ihrem Vorsorgevermögen finanzieren können.
  • Selbst wenn Wohneigentum ausgeklammert wird, wäre 2023 immer noch mehr als die Hälfte aller Rentnerhaushalte in der Lage gewesen, die anfallenden Pflegekosten aus der eigenen Tasche zu zahlen.
  • Das würde die Finanzen der Pflegeversicherung stabilisieren und die Arbeitnehmer vor noch höheren Beitragssätzen bewahren.
Zur detaillierten Fassung

Deutschland wird älter – das heißt auch, dass die Zahl der pflegebedürftigen Personen hierzulande in Zukunft steigt. Das stellt die umlagefinanzierte Pflegeversicherung, in der das Gros der deutschen Bevölkerung abgesichert ist, vor Probleme. Denn wenn mehr Menschen pflegebedürftig sind, steigen die Ausgaben. Diese müssen im Umlageverfahren noch im selben Jahr durch Einnahmen gedeckt werden. Die Beitragseinnahmen nehmen aber zeitgleich ab, wenn der Anteil der Ruheständler mit niedrigeren beitragspflichtigen Einkommen zunimmt.

Vor diesem Hintergrund ist es äußerst bedenklich, dass die Pflegeversicherung schon jetzt zunehmend in eine finanzielle Schieflage gerät. Zwischen 2016 und 2022 verdoppelten sich die nominalen Leistungsausgaben – zuvor brauchte es dafür von 1997 bis 2016 fast 20 Jahre. Das geht zulasten der Beitragszahler: So ist der allgemeine Beitragssatz von 1,7 Prozent im Jahr 2000 auf 3,4 Prozent seit Juli 2023 gestiegen, für Kinderlose sogar auf 4,0 Prozent. Und im kommenden Jahr sollen es für alle noch einmal 0,2 Prozentpunkte mehr werden.

Der höhere Beitragssatz ist unter anderem dem Anfang 2022 eingeführten Leistungszuschlag geschuldet, mit dem die Pflegekassen – je nach Dauer – einen bestimmten Prozentsatz der ursprünglich privat zu tragenden Kosten der Heimpflege übernehmen (Grafik):

Im Schnitt zahlte ein Pflegebedürftiger 2023 nach Abzug des Leistungszuschlags noch rund 30.500 Euro für die vollstationären Pflegekosten im ersten Jahr.

So hoch war 2023 der bundesdurchschnittliche Eigenanteil an den vollstationären Pflegekosten bei dieser Pflegedauer, in Euro Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Aufgrund des gestaffelten Leistungszuschlags nimmt der jährlich zu zahlende Betrag mit zunehmender Pflegedauer ab. Nach fünf Jahren belaufen sich die bis dahin privat zu tragenden Kosten auf insgesamt rund 120.700 Euro. Ohne den Zuschuss der Pflegekasse wären es 156.600 Euro.

Das große Problem des Leistungszuschlags: Da dabei das Einkommen und das Vermögen der Pflegebedürftigen keine Rolle spielen, ist das Instrument wenig treffsicher. Trotzdem erhöhte die Politik zu Beginn des Jahres die Sätze. Die Pflegekassen müssen nun bereits im ersten Jahr 15 Prozent der stationären Pflegekosten übernehmen, die ursprünglich von den Pflegebedürftigen zu tragen waren. Danach gilt: je länger, desto großzügiger. Ab dem vierten Jahr beträgt der Eigenanteil nur noch 25 Prozent der Heimpflegekosten, den Rest übernimmt ab dann die gesetzliche Pflegeversicherung.

Haushalte könnten Kosten für die Heimpflege selbst tragen

Trotz der bereits weitreichenden staatlichen Unterstützung kommt in der Politik immer wieder der Vorschlag auf, den Zuschlag erneut auszuweiten. Dabei war schon die diesjährige Erhöhung des Leistungszuschlags gar nicht nötig, wie eine neue IW-Studie zeigt (Grafik):

Im Jahr 2023 hätten gut sieben von zehn Rentnerhaushalten die stationären Pflegekosten für bis zu fünf Jahre aus eigener Kraft stemmen können.

So viel Prozent der Haushalte in Deutschland mit einem mindestens 65 Jahre alten Haupteinkommensbezieher könnten den Eigenanteil an den vollstationären Pflegekosten für diesen Zeitraum finanzieren Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Selbst wenn eine Person des Haushalts bereits zuvor ambulant pflegebedürftig war, waren rund 65 Prozent der Haushalte in der Lage, die Kosten für ein Jahr zu tragen. Für einen längeren Pflegezeitraum erhöht sich der Anteil sogar – das liegt an der Konzeption des Leistungszuschlags, der mit jedem zusätzlichen Pflegejahr zunimmt.

In der Berechnung wird unterstellt, dass die Betroffenen die Kosten der Heimpflege nicht nur aus ihrem Einkommen tragen, sondern dafür auch ihr Vorsorgevermögen einsetzen können. Dazu gehören im Zweifel auch selbst genutzte Eigentumswohnungen und -häuser, die besonders in älteren Haushalten maßgeblich zum Nettovermögen beitragen. Dafür müssen die Betroffenen aber keineswegs ihr Eigenheim aufgeben. Das lässt sich auch zu Geld machen, ohne ausziehen zu müssen – zum Beispiel durch eine sogenannte Beleihung, bei der der Besitzer eine Hypothek auf seine Immobilie aufnimmt, aber bis zu seinem Tod Eigentümer bleibt. Eine weitere Variante ist der Verkauf gegen ein im Grundbuch zugesichertes lebenslanges Wohnrecht.

Rund sieben von zehn Rentnerhaushalten könnten die stationären Pflegekosten für bis zu fünf Jahre aus ihrem Einkommen sowie ihrem Vorsorgevermögen finanzieren.

Doch auch wenn selbst bewohntes Eigentum ausgeklammert wird, waren 2023 immer noch mehr als die Hälfte aller Rentnerhaushalte in der Lage, die anfallenden Pflegekosten aus der eigenen Tasche zu zahlen. In diesem Fall würden auch die Nachkommen profitieren, die ein schuldenfreies Eigenheim erben.

Statt die Kosten der Heimpflege pauschal durch einen höheren Leistungszuschlag zu subventionieren, ist es der Mehrzahl der Bundesbürger also durchaus möglich, potenzielle Pflegekosten selbst zu tragen. Das würde die Finanzen der Pflegeversicherung stabilisieren und die Arbeitnehmer vor noch höheren Beitragssätzen bewahren.

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