Gekommen, um zu bleiben
Menschen mit Migrationshintergrund haben es nach eigenem Bekunden in Deutschland leichter als anderswo in Europa. Sie finden hier einfacher einen Job und wünschen sich eine langfristige Perspektive – auch für ihre Familien – sowie berufliche Aufstiegsmöglichkeiten.
- Menschen mit Migrationshintergrund haben es nach eigenem Bekunden in Deutschland leichter als anderswo in Europa.
- Mehr als 80 Prozent der Befragten wünschen sich eine langfristige Perspektive in Deutschland.
- Für eine bessere Zukunft in Deutschland sind Migranten bereit, sich ins Zeug zu legen oder auch vorübergehende Nachteile in Kauf zu nehmen.
Dass hierzulande Fachkräfte gesucht werden, hat sich in aller Welt herumgesprochen – die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist 2011 stärker gestiegen als in den vorherigen 15 Jahren.
Doch wie beurteilen Migranten in Deutschland und anderen EU-Staaten ihre Situation? Dazu wurden Ende 2011/Anfang 2012 im Auftrag der belgischen King Baudouin Foundation und der Migration Policy Group knapp 7.500 Menschen aus Nicht-EU-Ländern in insgesamt 15 europäischen Städten befragt.
Für Deutschland wurden Berlin und Stuttgart ausgewählt, um Ost- und Westdeutschland zu repräsentieren. Gefragt wurde nach Alltagserfahrungen im Berufsleben, dem Spracherwerb oder der Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Die Ergebnisse stellen der Bundesrepublik ein gutes Zeugnis aus (Grafik):
Menschen mit Migrationshintergrund haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt weniger Probleme und finden leichter eine passende Stelle als in anderen europäischen Ländern.
Nur in Ungarn haben Nicht-EU-Migranten ähnlich gute Bedingungen, während gerade in Südeuropa der Weg zu einer passenden Arbeitsstelle steinig ist – auch wegen der weit verbreiteten Schwarzarbeit.
Für Zuwanderer in Deutschland sind vor allem befristete Arbeitsverträge ein Handicap. Dennoch:
Mehr als 80 Prozent der Befragten wünschen sich eine langfristige Perspektive in Deutschland.
Zwei weitere strukturelle Probleme, denen Migranten bei der Arbeitssuche in anderen Ländern Europas häufig begegnen, sind in Westeuropa Diskriminierung wegen der Herkunft und in Südeuropa das mangelnde Angebot an legalen Jobs. Beide Phänomene spielen in Deutschland eine geringere Rolle und werden von weniger als 20 Prozent der Befragten genannt.
Insgesamt sind Migranten mit ihrer Lebenssituation in Deutschland im innereuropäischen Vergleich zufrieden (Grafik). Besonders positiv bewerten sie ihr Familien- und ihr gesellschaftliches Leben sowie ihre Gesundheit. Mit ihrem Bildungsstand und ihrem Job sind sie allerdings etwas unzufriedener als Zuwanderer in anderen EU-Staaten.
Dies bedeutet aber nicht, dass Migranten sich für ihre Arbeit überqualifiziert fühlen. So gab weniger als jeder siebte berufstätige Migrant an, einen Job auszuüben, der seine Fähigkeiten unterfordert.
Unterm Strich wird Deutschland als ein Land wahrgenommen, in dem es relativ leicht ist, einen Job zu finden, und wo es sich gut leben lässt. Allerdings sagen nur knapp 30 Prozent der Befragten, dass sie von ihren aktuellen Einkünften komfortabel leben können. Und mehr als die Hälfte findet es schwierig bis sehr schwierig, bei finanziellen Problemen einen Kredit zu bekommen.
Für eine bessere Zukunft in Deutschland sind Migranten bereit, sich ins Zeug zu legen oder auch vorübergehende Nachteile in Kauf zu nehmen. So arbeitet fast ein Viertel von ihnen in einem Beruf, der nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hat. Sogar die angeblich so schwierige Sprache schreckt die Migranten nicht ab – nicht einmal 6 Prozent gaben an, sich mit dem Erlernen von Deutsch schwergetan zu haben.
Willkommenskultur
Die Einführung der sogenannten Blue Card (vgl. iwd 3/2012) erleichtert Fachkräften aus Drittstaaten die Zuwanderung in die EU. Die Blue Card ist eine vereinfachte Arbeitserlaubnis für zunächst drei Jahre und gilt in Deutschland ab August 2012. Wenn aber noch mehr Hochqualifizierte den Weg in die Bundesrepublik finden sollen, müssen Politik und Unternehmen flankierende Maßnahmen ergreifen. Das Stichwort heißt Willkommenskultur – dazu zählen Hilfestellungen für die künftigen Mitarbeiter von der Begleitung zu Behörden bis hin zu Sprachkursen und Angeboten für die Familien. Eine solche Willkommenskultur ist z.B. in der brandenburgischen Firma RapidEye längst gang und gäbe. Der international ausgerichtete Geoinformationsdienstleister beschäftigt Mitarbeiter aus 20 Nationen. Die Firmensprache ist Englisch. Einige Maßnahmen:
- Stellenannoncen und -beschreibungen werden auf Englisch verfasst, um auch ausländische Bewerberinnen und Bewerber gezielt anzusprechen.
- Fachkräfte werden international über Online-Stellenbörsen und über Partnerunternehmen im Ausland rekrutiert.
- Neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden erfahrene Angestellte zur Seite gestellt, die etwa bei Behördengängen, Genehmigungsverfahren, Versicherungsfragen und der Wohnungssuche helfen.
- Es gibt Inhouse-Deutsch- und Englischkurse für die Mitarbeiter sowie für deren Familienangehörige.
- Vierteljährlich findet eine Firmenfeier für Mitarbeiter und deren Familien statt, die die kulturelle Vielfalt des Unternehmens widerspiegelt.
Weitere Informationen: www.kofa.de – das Portal des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung bietet als Teil der bundesweiten Fachkräfteoffensive kleinen und mittleren Unternehmen aktuelle Informationen und konkrete Umsetzungshilfen, wie sie Fachkräfte finden, im Unternehmen halten und qualifizieren.
www.charta-der-vielfalt.de – Unternehmen und Verwaltungen bekennen sich darin zu einer Kultur der Vielfalt und fördern sie.