Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Arbeitszeit Lesezeit 3 Min.

Für die Gesundheit im Job sind viele Faktoren maßgeblich

Anders als oft vermutet, fühlen sich Beschäftigte in Deutschland, die einen Vollzeitjob mit 35 bis 40 Wochenstunden ausüben, nicht häufiger erschöpft als Teilzeitkräfte. Deutlich öfter über gesundheitliche Probleme klagen jene Beschäftigten, die mehr als 48 Stunden je Woche arbeiten. Die Länge der Arbeitszeit fällt allerdings weniger ins Gewicht, wenn die Beschäftigten im Job ausreichend Handlungsspielraum haben.

Kernaussagen in Kürze:
  • Vollzeitbeschäftigte mit 35 bis 40 Wochenstunden sind unter allen Beschäftigten sowohl körperlich als auch emotional am seltensten erschöpft.
  • Deutlich häufiger klagen jene über Erschöpfungszustände, die mehr als 48 Stunden je Woche arbeiten.
  • Die lange Arbeitszeit spielt aber eine deutlich geringere Rolle, wenn die Beschäftigten zum Beispiel sozialen Zusammenhalt erleben und Handlungsspielräume im Job haben.
Zur detaillierten Fassung

Schon länger diskutieren Arbeitsmarktforscher in Deutschland über die Vor- und Nachteile einer Viertagewoche. Die Befürworter argumentieren, kürzere Arbeitszeiten würden die Beschäftigten zufriedener, gesünder und produktiver machen. Die empirischen Experimente, die diese pauschale Aussage untermauern sollten, wurden allerdings von vielen Wissenschaftlern kritisiert.

Denn die Wirklichkeit ist komplizierter. Einerseits ist belegt, dass Arbeit zum Erhalt der Gesundheit beiträgt. Andererseits können sehr lange Arbeitszeiten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen. Um den Zusammenhang zwischen der Arbeitszeit und dem gesundheitlichen Befinden der Beschäftigten näher zu beleuchten, hat das IW Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ausgewertet.

Vollzeitbeschäftigte mit 35 bis 40 Arbeitsstunden je Woche sind unter allen Beschäftigten sowohl körperlich als auch emotional am seltensten erschöpft.

Dabei zeigt sich zunächst, dass im Jahr 2021 – aus diesem Jahr stammt die jüngste verfügbare BAuA-Arbeitszeiterhebung – mit rund 37 Prozent ein großer Teil der abhängig Beschäftigten einen „normalen Vollzeitjob“ mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden hatte (Grafik): 

So viel Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiteten im Jahr 2021 so viele Stunden je Woche und so viel Prozent der Beschäftigten in diesen Berufssegmenten arbeiteten länger als 48 Stunden je Woche Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Durchschnitt arbeiteten abhängig Beschäftigte in Deutschland rund 38,4 Stunden je Woche. Annähernd 12 Prozent der Arbeitnehmer berichteten allerdings, „überlang“, also regelmäßig mehr als 48 Stunden je Woche zu arbeiten. Gut 1 Prozent kam sogar auf mehr als 60 Stunden.

Der Anteil jener mit überlangen Arbeitszeiten unterscheidet sich deutlich zwischen den einzelnen Berufen:

In den Sicherheitsberufen arbeitete 2021 fast jeder vierte Arbeitnehmer länger als 48 Stunden pro Woche, in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau war es gut jeder Fünfte.

In den Fertigungsberufen sowie einigen Dienstleistungsbereichen berichtete dagegen weniger als jeder zehnte Beschäftigte von überlangen Arbeitswochen.

Doch wie wirken sich die unterschiedlich langen Arbeitswochen auf die Gesundheit der Beschäftigten aus? Beim Blick auf die entsprechenden Daten fällt zunächst eines auf (Grafik):

Vollzeitbeschäftigte mit 35 bis 40 Arbeitsstunden je Woche sind sowohl körperlich als auch emotional am seltensten erschöpft.

So viel Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland mit dieser Wochenarbeitszeit im Jahr 2021 sagten, diese gesundheitlichen Beschwerden seien während der Arbeit häufig aufgetreten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bei den Teilzeitbeschäftigten ist der Anteil derjenigen, die über körperliche oder emotionale Erschöpfung oder auch konkrete Beschwerden wie Kopfschmerzen klagen, um bis zu 5 Prozentpunkte höher. Das dürfte auch mit den Belastungen außerhalb des Jobs zusammenhängen – etwa, wenn Frauen in Teilzeit arbeiten, zusätzlich aber Kinder betreuen oder ältere Familienangehörige pflegen müssen.

Lange Arbeitszeiten sind nicht zwangsläufig problematisch

Am häufigsten geben Beschäftigte mit überlangen Arbeitszeiten gesundheitliche Probleme zu Protokoll:

Fast 60 Prozent derjenigen mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden fühlen sich müde und matt, knapp 46 Prozent sind körperlich und gut 36 Prozent emotional erschöpft.

Eine tiefergehende Untersuchung der Daten lässt darauf schließen, dass vor allem körperliche Ermüdungserscheinungen recht stark durch die Länge der Arbeitszeit bedingt sind. Ansonsten ist aber auch noch eine Reihe anderer Faktoren maßgeblich dafür, wie belastend die Beschäftigten ihre Arbeit empfinden. Einen Einfluss haben beispielsweise Gestaltungsfreiräume im Job oder das Miteinander im Betrieb. Bezieht man diese und ähnliche Bestimmungsgrößen mit in die statistische Analyse ein, zeigt sich:

Die Dauer der Arbeitszeit spielt eine geringere Rolle für die erlebte emotionale Erschöpfung, wenn Beschäftigte sozialen Zusammenhalt erleben, vom Vorgesetzten unterstützt werden und Handlungsspielräume haben.

Selbst Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden sind, statistisch betrachtet, nicht häufiger emotional erschöpft als ihre Kollegen mit kürzeren Arbeitszeiten, wenn sie ihr Pensum im Job beeinflussen können oder ihre privaten Interessen bei der Arbeitszeitplanung angemessen berücksichtigt werden.

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