Fragwürdige Privilegien
Seit einigen Jahren werden regionale Dienstleistungen wie die Energie- und Wasserversorgung wieder zunehmend von Betrieben erbracht, die den Städten und Gemeinden gehören. Dieser Trend zur Rekommunalisierung verdrängt private, meist mittelständische Anbieter vom Markt – und die Bürger zahlen dabei oft drauf.
- Von 2000 bis 2012 ist die Zahl der kommunalen Unternehmen in Deutschland um nahezu ein Viertel auf fast 13.500 gestiegen – ihre Umsätze haben sich sogar auf 278 Milliarden Euro verdoppelt.
- Die Rundumversorgung und die üppigen Renditen der kommunalen Versorger gehen oft mit hohen Gebühren für die Bürger einher.
- Der Wettbewerb um regionale Dienstleistungen ist verzerrt, weil die öffentlichen Anbieter drei Privilegien genießen: Umsatzsteuerbefreiung, Freistellung von der Kartellaufsicht nd niedrigere Zinskosten.
Ob in der Großstadt oder auf dem Land – die Deutschen erwarten, dass die Stromversorgung funktioniert, stets sauberes kaltes und warmes Wasser aus den Leitungen kommt und der Hausmüll regelmäßig abgeholt wird. Und das alles soll möglichst günstig sein.
Erbracht werden diese Dienste teils von privaten, teils von kommunalen Anbietern. Nach einer Phase, in der die Städte und Kreise – nicht zuletzt, um ihre Schuldenberge abzutragen – viele öffentliche Betriebe privatisiert hatten, geht der Trend seit der Jahrtausendwende wieder zum Selbermachen (Grafik):
Im Zeitraum von 2000 bis 2012 ist die Zahl der kommunalen Unternehmen in Deutschland um nahezu ein Viertel auf fast 13.500 gestiegen – ihre Umsätze haben sich sogar auf 278 Milliarden Euro verdoppelt.
Die Befürworter dieser Entwicklung führen in erster Linie das Argument ins Feld, dass nur öffentliche Betriebe alle Bürger – auch sozial schwache und jene, die in dünn besiedelten Gebieten leben – günstig und in vollem Umfang versorgen. Für private Anbieter würde sich das nicht lohnen, sodass zum Beispiel ländliche Regionen nicht ausreichend ans Busnetz angebunden oder unzureichend mit modernen Telekommunikationsnetzen ausgestattet würden.
Diesem Argument widerspricht allerdings ein ebenso oft vorgebrachtes, nämlich dass die öffentlichen Unternehmen hohe Gewinne einfahren und auf diese Weise die kommunalen Haushalte entlasten würden (vgl. iwd 34/2014). Beides zusammen – eine Rundumversorgung zu niedrigen Preisen und hohe Gewinne – funktioniert jedoch nicht. Zum Beispiel gehen die von kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieben in Bayern erzielten üppigen Renditen mit hohen Gebühren für die Bürger einher (siehe Kasten unten).
Auch das Argument, die kommunalen Unternehmen würden eine besondere Rolle für den regionalen Arbeitsmarkt spielen, zieht nur vordergründig. Zwar sind zum Beispiel die Tariflöhne für Geringqualifizierte im öffentlichen Dienst um etwa 20 Prozent höher als in der Privatwirtschaft. Die höheren Lohnkosten müssen jedoch am Ende von allen Gebühren- und Steuerzahlern finanziert werden – also auch von jenen, die selbst nicht beim Staat beschäftigt sind und damit auch nicht von einem solchen Lohnprivileg profitieren.
Hinzu kommt, dass der Wettbewerb um regionale Dienstleistungen verzerrt ist. Denn die öffentlichen Anbieter genießen drei Privilegien:
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Umsatzsteuerbefreiung. Dieses Privileg gilt zwar laut Umsatzsteuergesetz nur für „hoheitliche“ öffentliche Betriebe, die für das Gemeinwesen unverzichtbare und nicht privat organisierbare Dienste erbringen, aber nicht für solche „gewerblicher Art“. Doch eine klare Zuordnung gibt es nicht. Zudem ist eine Gesetzesnovelle auf dem Weg, die die Kooperation zwischen kommunalen Betrieben erleichtert. Damit könnten Kommunen zum Beispiel IT-Leistungen in großen Gemeinschaftsunternehmen bündeln, die bundesweit agieren und unter Ausnutzung ihres Steuerprivilegs weitere private Anbieter verdrängen.
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Freistellung von der Kartellaufsicht. Seit 2012 unterliegen die von öffentlichen Unternehmen verlangten Gebühren nicht mehr der Aufsicht des Bundeskartellamts. Die kommunale Rechtsaufsicht prüft die Gebühren zwar formal, lässt aber Effizienzkriterien außer Acht. Folglich haben öffentliche Unternehmen weniger Anreize, ihre Leistungen kostengünstig anzubieten, und Bürger wenig Einspruchsmöglichkeiten gegen hohe Preise.
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Niedrigere Zinskosten. Ein öffentliches Unternehmen kann aufgrund der staatlichen Haftungsgarantie Kredite zu einem niedrigeren Zins aufnehmen als eine private Firma. Die Kehrseite dieser Haftung ist aber, dass für Managementfehler und daraus resultierende Verluste des kommunalen Betriebs am Ende der Steuerzahler geradestehen muss.
Damit öffentliche und private Anbieter in Zukunft wieder stärker auf Augenhöhe konkurrieren können, sollte unter anderem das Umsatzsteuerprivileg zumindest eingeschränkt werden. So ist es zwar akzeptabel, IT-Leistungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung von der Umsatzsteuer auszunehmen, aber nicht jene Leistungen, die von kommunalen Rechenzentren auch für Nachbargemeinden erbracht werden. Außerdem sollte die Preisgestaltung kommunaler Betriebe wieder durch das Bundeskartellamt kontrolliert werden.
Die Abfallwirtschaft in Bayern
Die Müllentsorgung im Freistaat ist derzeit überwiegend privat organisiert – und laut einer repräsentativen Emnid-Befragung sind 97 Prozent der Bayern mit ihrer Müllabfuhr zufrieden. Dennoch ist auch im Freistaat eine Tendenz zur Rekommunalisierung festzustellen. Das ist umso bedenklicher, als die privaten Abfallentsorger effizienter wirtschaften als die öffentlichen Betriebe, wie eine Studie der IW Consult zeigt. Zwar betrug der Gewinn der kommunalen bayerischen Entsorgungsunternehmen im Jahr 2012 durchschnittlich 6,9 Prozent des Betriebsertrags, die Rendite der Privaten lag bei 4,2 Prozent. Rechnet man jedoch den Effekt des Umsatzsteuerprivilegs heraus, erzielten die öffentlichen Anbieter lediglich eine Rendite von 3,3 Prozent.
Zugleich kassieren die kommunalen Betriebe für den Müll eines typischen Vierpersonenhaushalts im Schnitt 320 Euro pro Jahr – die privaten Anbieter dagegen nur 280 Euro (Grafik). Zufällig ausgewählte kommunale Entsorger in anderen Bundesländern erheben sogar Abfallgebühren von durchschnittlich 361 Euro.
Die privaten Müllentsorger punkten aber zum Beispiel auch mit einer besonders modernen Fahrzeugflotte – so sammelt im Landkreis Landshut seit 2011 auch ein Hybridfahrzeug den Müll ein. Und im Landkreis Regensburg ist die Abfallwirtschaft auf Initiative des privaten Entsorgers auf eine bessere Ressourcen- und Energienutzung getrimmt worden – unter anderem durch die Trennung von Holz und anderen Materialien bei der Sperrmüllsammlung.