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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Arbeitszeit Lesezeit 3 Min.

Flexiblere Arbeitszeiten: Wochenrechnung sinnvoll

Die Bundesregierung plant mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeitszeiten. Dafür will sie deutsche Gesetze an die europäischen Arbeitsrichtlinien anpassen. Eine neue Analyse zeigt, dass entsprechende Spielräume da sind, ohne zusätzliche Gesundheitsrisiken zu schaffen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Bundesregierung möchte bei der Arbeitszeit weg von einer Höchstarbeitszeit pro Tag und hin zu einer Wochenrechnung.
  • Eine IW-Studie zeigt: Die Arbeitszufriedenheit der Bürobeschäftigten in Deutschland ist sehr hoch – unabhängig von der Dauer ihres Arbeitstages.
  • Wichtig bei Fragen der Arbeits- und Ruhezeit ist die Arbeitskultur. Führungskräfte sind verantwortlich, dem Gefühl einer ständigen Erreichbarkeit bei den Beschäftigten entgegenzuwirken.
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In Wochen statt in Tagen denken, das möchte die Bundesregierung laut ihres Koalitionsvertrags bei der Gestaltung der Arbeitszeit. Konkret bedeutet das: Weg von einer Höchstarbeitszeit pro Tag und hin zu einer Wochenrechnung – unter Einhaltung der gesetzlich bestehenden Ruhezeiten von elf Stunden. Der Vorschlag ist im Einklang mit den EU-Arbeitsrichtlinien und damit recht einfach umzusetzen. Der Gedanke hinter der Idee:

In einer zunehmend flexiblen Arbeitswelt braucht es ein ebenso flexibles Arbeitszeitgesetz.

Entscheidend dabei ist, dass es sich nicht um eine Ausweitung der Arbeitszeit handelt. Die ist nach wie vor Sache der Vertrags- beziehungsweise Tarifpartner. Kritiker fürchten dennoch ein Aufweichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und zusätzliche Belastungen für die Beschäftigten.

Die Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegen, dass das pauschale Ablehnen von flexibleren Arbeitszeiten keine wissenschaftliche Basis hat.

Um der Diskussion eine wissenschaftliche Basis zu geben, hat das Institut der deutschen Wirtschaft anhand von Befragungsdaten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ausgewertet, wie sich längere Arbeitstage und kürzere Ruhephasen auf Bürobeschäftigte auswirken. Zunächst lässt sich feststellen, dass Ruhezeiten nur selten kürzer sind als elf Stunden (Grafik):

In den Jahren 2017, 2019 und 2021 konnten zwischen gut 83 und knapp 86 Prozent der Bürobeschäftigten die elfstündige Ruhezeit stets einhalten.

So viel Prozent der Bürobeschäftigten in Deutschland hatten weniger als elf Stunden Ruhezeit zwischen Ende und erneutem Beginn ihrer Arbeit Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Für Bürobeschäftigte mit verkürzten Ruhezeiten gilt: Nur etwa die Hälfte hat mehr als einmal pro Monat zwei Arbeitstage in kürzeren Abständen hintereinander gearbeitet.

Beim Blick auf die tägliche Arbeitszeit ergibt sich ebenfalls ein eindeutiges Bild. Mehr als elf Stunden zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende – Pausen sind inkludiert – hatten in den untersuchten Jahren 2017, 2019 und 2021 zwischen 6 und 7 Prozent der Bürobeschäftigten. Hier zeigt sich erneut: Auch wenn die jüngsten Daten schon einige Jahre alt sind, ist eine starke Konstanz in den Befragungsergebnissen zu erkennen.

Die Teilnehmer beantworteten nicht nur generelle Fragen über ihre Arbeitszeiten, sondern auch über die Auswirkungen davon. Der Einfluss langer Tage ist demnach gering (Grafik):

Die Arbeitszufriedenheit der Bürobeschäftigten in Deutschland ist sehr hoch – unabhängig von der Dauer ihres Arbeitstages.

So viel Prozent der Bürobeschäftigten in Deutschland mit dieser täglichen Arbeitszeit dachten im Jahr 2021 so über ihren Job Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nehmen Beschäftigte mit langen Arbeitstagen ähnlich häufig als zufriedenstellend wahr wie Beschäftigte mit kürzeren Arbeitszeiten. Das Gefühl, durch das Arbeitspensum überfordert sowie emotional erschöpft zu sein, ist unter den Befragten unabhängig von der Arbeitszeit so gut wie identisch. Lediglich körperlich erschöpft fühlen sich mit 36 Prozent etwas mehr Beschäftigte mit langen Tagen als im Durchschnitt (29 Prozent).

Die Arbeitskultur ist wichtig für Fragen der Arbeits- und Ruhezeit

Die Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegen, dass das pauschale Ablehnen von flexibleren Arbeitszeiten kein wissenschaftliches Fundament hat. Daher ist es richtig, dass die Regierung das politisch umstrittene Thema angeht. Sie sollte dabei aber ihr Festhalten an den geltenden Ruhezeitbestimmungen überdenken, denn auch hier lassen sich gesetzliche Spielräume zur Differenzierung durch die Tarifpartner eröffnen, Arbeitszeiten bedarfsgerechter und gleichzeitig gesundheitsbewusst auszugestalten. Dies würde auch mehr Möglichkeiten für die Beschäftigten bieten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern – zum Beispiel, indem sie ihre Arbeit länger für Zeit mit den Kindern unterbrechen und die Arbeitsstunden abends nachholen.

Wichtig bei Fragen der Arbeits- und Ruhezeit ist vor allem die Arbeitskultur. Führungskräfte stehen in der Verantwortung, dem Gefühl einer ständigen Erreichbarkeit bei den Beschäftigten entgegenzuwirken. Die Mitarbeiter sind aber ebenfalls verantwortlich, darauf zu achten, dass sie mit ihren eigenen zeitlichen Ressourcen und denen ihrer Kollegen gesundheitsbewusst und effizient umgehen.

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