Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Außenhandel Lesezeit 5 Min.

Exporte: Wo Deutschland noch dominiert

Deutschland ist trotz lahmender Konjunktur weiterhin eines der exportstärksten Länder der Welt. Mit welchen Waren die heimische Wirtschaft den weltweiten Handel dominiert, war bisher aber nicht genau bekannt. Eine neue IW-Studie gibt Aufschluss.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Jahr 2010 dominierte Deutschland den Welthandel in 237 von mehr als 5.000 detaillierten Warengruppen, 2023 waren es nach IW-Berechnungen noch 178.
  • China hat seine Position auf dem Exportmarkt längerfristig massiv ausgebaut. Auch die USA liegen deutlich vor Deutschland.
  • Die Bundesregierung muss genau analysieren, wo kritische Abhängigkeiten im Exportgeschäft bestehen, und gleichzeitig den heimischen Standort durch eine investitionsfreundliche Politik stärken.
Zur detaillierten Fassung

Konfrontation statt Kooperation: Die geopolitische Lage hat sich seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine massiv verändert. Immer häufiger werden ökonomische Abhängigkeiten als Angriffsfläche genutzt und die Globalisierung zurückgedreht. Neben Russland taten sich dabei zuletzt China und die USA negativ hervor. Für das exportorientierte Deutschland entstehen dadurch Risiken. Auf der anderen Seite verfügt die Bundesrepublik aber auch über besondere Stärken im internationalen Handel, die sie künftig bei Bedarf einsetzen kann.

In einer neuen Studie ist das IW der Frage nachgegangen, in welchen Warengruppen Deutschland im Export international eine Vormachtstellung hat und somit auch, welche Hebel im geopolitischen Gerangel denkbar sind. Die Forscher legten fest, dass eine dominante Position dann gegeben ist, wenn mindestens 30 Prozent der weltweiten Ausfuhren in einer Warengruppe auf Deutschland entfallen. Das war zuletzt etwas seltener der Fall (Grafik):

Im Jahr 2010 dominierte Deutschland den Welthandel in 237 von mehr als 5.000 detaillierten Warengruppen, 2023 waren es nach IW-Berechnungen noch 178.

In so vielen Warengruppen hatte Deutschland einen Weltexportanteil von mindestens 30 Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Blickt man auf die Relevanz der einzelnen Produkte, so lassen sich je nach Zählweise rund 60 bis 100 Warengruppen identifizieren, die über einen längeren Zeitraum ihre dominante Position halten konnten und somit als Markenkern des deutschen Exports bezeichnet werden können. Gleichzeitig zeigt sich anhand der zahlenmäßigen Schwankungen, dass eine exponierte Stellung keinesfalls selbstverständlich ist und sich fortwährend Verschiebungen ergeben.

Zuletzt war Deutschland im Außenhandel vor allem in zwei Warengruppen stark (Grafik):

47 Erzeugnisse der chemischen Industrie hatten im Jahr 2023 eine weltweit dominante Position, das galt auch für 45 Maschinen und elektronische Waren deutscher Herkunft.

So viele Warengruppen mit einem deutschen Weltexportanteil von mindestens 30 Prozent im Jahr 2023 gehörten zu diesen Bereichen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ebenfalls stark vertreten war die Gruppe der unedlen Metalle und der Waren, die daraus hergestellt werden. Dagegen gehörten nur wenige Warengruppen aus den Bereichen Hochtechnologie und militärstrategische Sicherheit zu den deutschen Stärken im Außenhandel.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Zahl der Warengruppen, in denen der Weltexportanteil besonders hoch ist, klar vor Italien und Frankreich.

Den höchsten Weltexportanteil hatte die Bundesrepublik 2023 bei den natürlichen Magnesiumsulfaten Kieserit und Epsomit mit 94 Prozent. Diese Chemikalien werden für Düngemittel gebraucht. Ähnlich hoch lag der Anteil bei Schmerzmitteln aus der Gruppe der Opioide. Auch im Bereich Maschinen/Elektrotechnik gab es eine Reihe von Warengruppen mit Weltexportanteilen von mehr als 50 Prozent, wie etwa bestimmte Mikroskope, Erntemaschinen und Regeltechnik-Instrumente. Dasselbe galt für Kranwagen.

China dominiert den Exportmarkt

Neben dem Wissen um die eigenen Stärken ging es den IW-Forschern auch um eine Einordnung im internationalen Kontext. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit der Zahl seiner dominanten Warengruppen klar vor Italien und Frankreich; auch gegenüber der traditionell starken Industrienation Japan hat die deutsche Wirtschaft einen deutlichen Vorsprung. Anders sieht dies für die zwei größten Konkurrenten auf dem Weltmarkt aus (Grafik):

Die USA hatten im Jahr 2023 etwa 50 Prozent mehr dominante Warengruppen auf dem Exportmarkt als Deutschland. China kam sogar beinahe auf den siebenfachen Wert.

In so vielen Warengruppen hatten diese Länder einen Anteil am Weltexport von mindestens 30 Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Daten sind am aktuellen Rand mit Unsicherheiten behaftet, weil für einige Länder noch keine Exportdaten vorliegen. So kommt Deutschland im Jahr 2023 bei reiner Auszählung auf 233 statt der 178 exportdominanten Warengruppen, die sich bei einer groben Bereinigung um Meldeverzögerungen ergeben. Da diese im Jahr 2023 auch die Werte für die anderen Exportländer nach oben ziehen, ist ein Vergleich zwischen Ländern weniger problematisch als ein Vergleich über die Zeit.

Doch auch unabhängig von gewissen statistischen Verzerrungen am aktuellen Rand gilt für China: Die Volksrepublik hat ihre Position auf dem Exportmarkt längerfristig massiv ausgebaut.

Allein von 2010 bis 2019 hat China die Zahl seiner dominanten Warengruppen im weltweiten Exportgeschäft um mehr als ein Drittel erhöht.

Für sich betrachtet, spielt China damit in einer eigenen Liga. Anders sieht es aus, wenn man China die gesamte EU gegenüberstellt. Die europäische Staatengemeinschaft hatte im Jahr 2023 in 3.490 Warengruppen einen Anteil am weltweiten Export von mindestens 30 Prozent. Sofern sich die Mitglieder der EU auch wirklich als Partner verstehen und geeint auftreten, haben sie also eine starke Position gegenüber der Volksrepublik.

Tiefgreifende Analyse nötig

Für Deutschland ergeben sich aus der IW-Studie mehrere Aufgaben:

  1. Ein regelmäßiges Tracking der deutschen Exportdominanz mit einem besonderen Fokus auf strategisch wichtigen Gütern in internationalen Wertschöpfungsketten ist sinnvoll. So ließe sich auch identifizieren, in welchen Märkten Deutschland Anteile verliert beziehungsweise gewinnt.
  2. Eine genauere Identifikation der deutschen Stärken ist eine weitere wichtige Maßnahme. Schließlich können auch Warengruppen mit einem geringeren Exportanteil von 30 Prozent strategische Bedeutung haben, je nachdem, ob bestimmte Länder von Importen dieser Waren abhängig sind.
  3. Eine regierungsinterne Taskforce zur Analyse von kritischen Abhängigkeiten ist nötig. Die Taskforce sollte diese Informationen in der vollen Breite erfassen und zusammenführen, um sie dann strukturiert zu analysieren. Dafür ist es wichtig, dass der Staat in zahlenmäßig eng begrenzten Fällen Zugang zum Expertenwissen der Unternehmen über Wareneigenschaften erhält, um herauszufinden, ob bei bestimmten Warengruppen tatsächlich geopolitische Hebel vorliegen. Im Gegenzug braucht es eine strenge Vertraulichkeit, damit die Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen sicher gewahrt bleiben.
  4. Eine unternehmens- und investitionsfreundlichere Wirtschaftspolitik hierzulande ist unabdingbar, damit die deutsche Wirtschaft ihre dominanten Exportpositionen besser verteidigen und im besten Fall neue schaffen kann. Eine Analyse des IW zeigte unlängst, dass sich die deutsche Exportperformance in den vergangenen Jahren stark verschlechtert hat (siehe “Der deutsche Exportmotor schwächelt”). Eine wichtige Rolle spielt dabei die sinkende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Niedrigere Arbeits-, Energie- und Bürokratiekosten sowie investitions- und wachstumsfreundlichere Rahmenbedingungen sollten für die Politik daher ganz oben auf der Liste stehen, damit sich die Qualität des Standorts Deutschland wieder deutlich verbessert.

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