Eine Frage des Status
Viele Betriebe in Deutschland würden Flüchtlingen gerne einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung anbieten. Doch so mancher Arbeitgeber sieht derzeit noch von einem Engagement ab – sei es, weil es Unsicherheiten über die Bleibewahrscheinlichkeit eines Kandidaten gibt oder dem Betrieb gezielte Informationen über mögliche und sinnvolle Beschäftigungsformen fehlen.
- Von 1997 bis 2012 ist die Eigenkapitalquote der Großunternehmen um rund 4 Punkte auf knapp 30 Prozent gestiegen
- Bei den kleinen und mittleren Unternehmen stieg die Eigenkapitalquote sogar um 17 Punkte auf 24 Prozent
Flüchtlinge und Arbeit – das ist ein heikles Kapitel. Denn die vielen Hunderttausend Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, kommen ja nicht hierher, um den Arbeitsmarkt zu bereichern. Sie sind Krieg und Elend entkommen und suchen vor allem Sicherheit und Schutz. Für sie steht die humanitäre Hilfe im Vordergrund.
Gleichwohl wollen die meisten volljährigen Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt möglichst schnell selbst bestreiten. Und da bei der Mehrheit der Flüchtlinge davon auszugehen ist, dass sie viele Jahre in Deutschland bleiben werden, gehört die Arbeitsaufnahme zu einer gelingenden Integration dazu.
Ein entscheidender Faktor für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist – neben der Qualifikation – ihr Aufenthaltsstatus. Hier gilt: Je sicherer der Status, desto größer die Chancen. Denn den Unternehmen ist daran gelegen, dass potenzielle Mitarbeiter möglichst lange bei ihnen bleiben können.
Günstig ist die Lage für anerkannte Asylbewerber: Flüchtlinge, deren Asylantrag positiv beschieden wird, erhalten zunächst eine zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Regel nach drei Jahren entfristet wird. Arbeitgeber können sich bei anerkannten Flüchtlingen also relativ sicher sein, dass sich die Investition in ihre Qualifizierung lohnt.
Anders sieht es bei Asylbewerbern aus, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde. In diesen Fällen sind rechtliche Hürden zu überwinden – etwa die Zustimmung zu einer Arbeitsaufnahme durch die lokale Arbeitsagentur. Zudem sind die Bleibeperspektiven noch ungewiss – sie hängen vor allem davon ab, aus welchem Heimatland die Flüchtlinge kommen (Grafik Seite 1):
Die Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus Syrien, Eritrea und dem Irak liegt derzeit bei 90 Prozent und mehr.
Anders sieht die Bleibeperspektive für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten aus. Antragsteller aus dem Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina erhalten in weniger als einem von hundert Fällen eine Anerkennung. Außerdem betrachtet Deutschland diese Staaten inzwischen als sichere Herkunftsländer, weshalb Asylbewerber, die nach dem 31. August 2015 einen Antrag auf Asyl gestellt haben, einem Beschäftigungsverbot unterliegen.
Für Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten sind die Bleibeaussichten sehr unterschiedlich. Während Eritreer in Deutschland fast immer Asyl erhalten und auch Flüchtlinge aus Somalia eine realistische Bleibeperspektive aufweisen, sieht es für Asylbewerber aus Ghana und dem Senegal schlecht aus: Diese beiden Staaten gehören ebenfalls zu den sicheren Herkunftsländern, womit auch Ghanaer und Senegalesen einem Beschäftigungsverbot unterliegen.
Ebenso geringe Chancen auf Anerkennung ihres Asylantrags haben Flüchtlinge aus den sogenannten Maghreb-Staaten – also aus Tunesien, Algerien und Marokko. Nur etwa jeder zwanzigste Antragsteller aus dieser Region darf bleiben. Zudem werden auch diese Länder demnächst mit großer Wahrscheinlichkeit als sichere Herkunftsländer eingestuft, wodurch sich nicht nur die Bleibewahrscheinlichkeit, sondern auch die Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland weiter verringern dürften.
„Wir haben die Praktikumszeiten an den Busfahrplan angepasst“
Olaf Glatzer, Leiter Ausbildung und Studium bei Phoenix Contact
Der Elektronikkomponentenhersteller Phoenix Contact aus Blomberg hat im Herbst 2015 neun Flüchtlinge als Praktikanten beschäftigt und damit so gute Erfahrungen gemacht, dass das Projekt in diesem Jahr wiederholt wird.
Herr Glatzer, welche Voraussetzungen mussten die Flüchtlinge mitbringen, die im vergangenen September ein zweiwöchiges Praktikum bei Ihnen gemacht haben?
Sie sollten über eine technische Qualifikation verfügen, eine Arbeitserlaubnis haben, Deutsch oder Englisch können und aus einem Krisengebiet kommen, weil wir keine Wirtschaftsflüchtlinge im Praktikum mitaufnehmen wollten. Wichtig war uns auch die Erreichbarkeit: Allen Praktikanten sollte es möglich sein, unseren Betrieb, der in einer ländlichen Umgebung liegt, gut erreichen zu können.
Und konnten alle Ihre Bedingungen erfüllt werden?
Ja, mehr oder weniger. Wir hatten einen Maschinenbauer aus Syrien, einen Elektriker aus Nigeria und einen Informatiker aus Sri Lanka – aber auch einen Malermeister aus Bangladesch und einen Juristen aus Guinea. Leider waren keine geeigneten Frauen dabei, so dass wir ausschließlich männliche Praktikanten zwischen 25 und 45 Jahren hatten. Damit alle pünktlich und ohne zu viele Umstände bei uns anfangen konnten, haben wir die Zeiten des Praktikums dem Busfahrplan angepasst.
Sie hatten Praktikanten aus neun verschiedenen Ländern, die alle unterschiedlich qualifiziert waren und nicht alle dieselbe Sprache beherrschten – wie haben Sie das organisiert?
Die Praktikanten waren zunächst eine Woche in unserer Trainingswerkstatt und anschließend eine Woche in einer Fachabteilung, die ihrer Qualifikation entsprach. Während des Praktikums haben wir allen Flüchtlingen einen dualen Studenten als Paten zugeordnet, sodass sie einen festen Ansprechpartner hatten. Wenn wir das Projekt in diesem Sommer wiederholen, werden wir das Praktikum auf vier bis sechs Wochen verlängern und darauf achten, dass alle mindestens eine gemeinsame Sprache sprechen – denn beim letzten Mal mussten wir ja alles zweimal erklären: einmal auf Englisch und einmal auf Deutsch.
Was ist mit den Flüchtlingen, die vergangenen Herbst bei Ihnen waren – können sie denen eine Perspektive bieten?
Einigen würden wir sehr gerne eine feste Arbeitsstelle anbieten – etwa als Montagekraft. Sobald wir Personalbedarf haben, melden wir uns bei ihnen.
Und wie sieht es mit einer Ausbildung aus?
Für eine deutsche Berufsausbildung sind unsere Flüchtlinge sprachlich noch nicht fit genug. Wenn sie ein fortgeschrittenes Sprachniveau auf dem Level B2 erreicht haben, kann ich mir eine Ausbildung gut vorstellen.