Ein Skandal, der keiner ist
Nach einer Untersuchung des IW Köln sind die Gewerbesteuereinnahmen in Bundesländern mit vielen international aufgestellten Unternehmen besonders hoch. Offenbar nutzen also multinationale Firmen nicht systematisch Schlupflöcher, um Steuern zu vermeiden.
- Die Gewerbesteuereinnahmen sind in Bundesländern mit vielen national aufgestellten Unternehmen besonders hoch.
- Multinationale Firmen nutzen nicht systematisch Schlupflöcher, um Steuern zu vermeiden.
- Die OECD und die EU haben einen Aktionsplan erarbeitet, der der Gewinnverlagerung einen Riegel vorschiebt.
Namen wie Amazon, Google und Apple stehen zurzeit nicht nur für innovative Technologien und wegweisende Geschäftsmodelle, sondern auch für Strategien zur Steuervermeidung. Die Konzerne stehen im Ruf, ihre Gewinne dorthin zu verlagern, wo die Steuersätze niedrig sind (Kasten). Deshalb haben die OECD und die EU den Multis den Kampf angesagt und einen Aktionsplan erarbeitet, der diesen Praktiken einen Riegel vorschiebt.
Das Thema berührt jedoch nicht nur globale Konzerne, sondern auch Mittelständler: Deutsche Unternehmen haben 35.000 Tochtergesellschaften im Ausland, umgekehrt werden rund 15.000 hiesige Firmen von ausländischen Kapitalgebern kontrolliert. Entwicklungen in der internationalen Steuerpolitik werden daher auch in Fabrikhallen im Sauerland oder im Allgäu registriert.
Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt allerdings, dass international agierende Firmen keineswegs die großen Steuerflüchtlinge sind, als die sie immer wieder hingestellt werden. Denn tatsächlich bescheren die multinationalen Unternehmen dem Fiskus höhere Steuereinnahmen als jene Firmen, die ausschließlich hierzulande aktiv sind.
Aus diesem Grund stehen in Deutschland beim Gewerbesteueraufkommen vor allem jene Bundesländer an der Spitze, in denen sich – wie in Hamburg oder Hessen – sehr viele multinationale Firmen angesiedelt haben (Grafik).
Es kann daher nicht im Interesse Deutschlands sein, internationale Firmen zu stark zu reglementieren. Denn dann sägt man den Ast ab, auf dem man sitzt. Aus deutscher Sicht lässt diese Erkenntnis auch Zweifel daran aufkommen, ob ein Mehr an Bürokratie in Form des Aktionsplans von OECD und EU zielführend ist.
Gewinnverlagerung von Unternehmen
Theoretisch stehen international aufgestellten Unternehmen zwei Wege offen, Gewinne zu verlagern:
1. Verrechnungspreise. Die Konzernzentrale in einem Niedrigsteuerland wie Luxemburg kann zum Beispiel von einer Filiale in einem Hochsteuerland wie Deutschland für Dienstleistungen oder Lizenzen sehr hohe Verrechnungspreise verlangen. Dementsprechend fällt mehr Gewinn in Luxemburg und weniger Gewinn in Deutschland an.
2. Unterkapitalisierung. In diesem Fall hat eine Tochterfirma in einem Hochsteuerland zu wenig Eigenkapital, um damit ihren Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Sie leiht sich das Geld von der Mutter im Niedrigsteuerland und muss dafür extrem hohe Zinsen zahlen. Die Zinsgewinne werden dann in dem Land mit den geringen Steuersätzen versteuert und die Zinsaufwendungen in Hochsteuerländern steuerlich abgesetzt.
Allerdings prüfen die jeweiligen Steuerbehörden in den meisten Ländern sehr genau, ob Verrechnungspreise und Zinsen marktgerecht sind. Falls nicht, passen die Betriebsprüfer die Gewinnmargen entsprechend an.