Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Digitalisierungsindex Lesezeit 5 Min.

Digitalisierung: Deutschland kann von anderen Ländern lernen

Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft digitaler geworden, wie der aktuelle Digitalisierungsindex des IW zeigt. Dennoch bleibt Deutschland im internationalen Vergleich im Hintertreffen. Das IW hat daher herausgearbeitet, was andere Länder bei zentralen Aspekten der Digitalisierung besser machen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Dem Digitalisierungsindex des IW zufolge ist Deutschland 2024 etwas digitaler geworden, in einigen Bereichen gab es aber auch Rückschritte.
  • Im internationalen Vergleich zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit hat die deutsche Wirtschaft zuletzt weiter an Boden verloren und liegt nur noch auf Rang 23 von 64 Ländern.
  • Der Blick ins Ausland zeigt aber auch, wie Deutschland die Digitalisierung vorantreiben könnte – das IW hat eine Reihe von Best-Practice-Beispielen analysiert.
Zur detaillierten Fassung

Effizientere Herstellungs- und Verwaltungsprozesse, neue Produkte und bessere Wettbewerbschancen – die Digitalisierung bietet der Wirtschaft viel Potenzial. Um zu erfassen, wie sich Deutschland in diesem Bereich entwickelt, erstellt das IW seit 2020 jährlich den Digitalisierungsindex. Nachdem dieser 2022 und 2023 stagnierte, stimmen die jüngsten Ergebnisse etwas hoffnungsvoller (Grafik):

Der für das Jahr 2020 auf 100 normierte Digitalisierungsindex stieg 2024 gegenüber dem Vorjahr um gut fünf auf 113,6 Punkte.

Digitalisierungsindex für Deutschland nach Kategorien, 2020 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Verbessert haben sich vor allem die unternehmensinternen Kategorien. Besonders stark legt der Bereich Produkte zu, weil jener Teil des Umsatzes, den Unternehmen mit digitalen Produkten erwirtschaften, im Jahr 2024 kräftig gewachsen ist.

Deutschland ist im vergangenen Jahr digitaler geworden. In einigen Bereichen zeigt der Digitalisierungsindex des IW aber auch Rückschritte an.

Differenzierter verlief die Entwicklung in den unternehmensexternen Kategorien – hier gab es mehrere klar negative Trends:

Ein Minus von sechs beziehungsweise vier Indexpunkten ist in der Kategorie Innovationslandschaft sowie bei den administrativ-rechtlichen Rahmenbedingungen zu verzeichnen.

Dies liegt unter anderem daran, dass Unternehmen weniger Forschungs- und Entwicklungskooperationen eingehen und die öffentliche Verwaltung in Sachen Online-Dienstleistungen kaum vorankommt.

Vergleich mit dem Ausland ernüchtert

Um diese Ergebnisse besser einordnen zu können, liegt ein Vergleich mit der Digitalisierung im Ausland nahe. Das etablierte Ranking des International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne/Schweiz stellt Deutschland kein gutes Zeugnis aus (Grafik):

Im IMD-Ranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit für das Jahr 2023 belegt Deutschland mit 80,9 Punkten lediglich Platz 23.

Platzierung im Jahr 2023 im Vergleich der digitalen Wettbewerbsfähigkeit von insgesamt 64 Staaten anhand von 54 Kriterien in den Kategorien Wissen, Technologie und Zukunftsfähigkeit, bestplatziertes Land = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bedenklich ist zudem der Trend: Seit 2019, als es noch für Rang 17 reichte, hat Deutschland nahezu kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Bereich verloren.

Zurückzuführen ist das schlechte Abschneiden vor allem auf die Kategorie Technologie. So kommt Deutschland bei der Qualität der Kommunikationstechnologie aus Sicht der Unternehmen lediglich auf Platz 54. Kaum besser sieht es bei den regulatorischen Rahmenbedingungen aus, etwa mit Blick auf Unternehmensgründungen sowie die Zuwanderung von Fachkräften.

Insgesamt hapert es laut IMD hierzulande vor allem bei der digitalen Infrastruktur sowie daran, dass viele Chancen der Digitalisierung ungenutzt bleiben.

So ist beispielsweise die öffentliche Verwaltung zu wenig digitalisiert und Unternehmen schöpfen das Potenzial der Datennutzung – Stichwort Big Data – nicht aus.

Best-Practice-Beispiele aus anderen Ländern

Ansatzpunkte für Verbesserungen gibt es also viele. Doch wie und wo lassen sich am besten spürbare Fortschritte erzielen? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick auf Maßnahmen, die in anderen Ländern erfolgreich waren. Das IW hat diese Best Practices systematisch unter die Lupe genommen und ihre Übertragbarkeit auf Deutschland analysiert. Dies sind die am besten bewerteten Maßnahmen aus vier Bereichen:

Digitale Infrastruktur: „The Information Society Development Guidelines 2014–2020“ (Lettland). Mit den im Jahr 2013 beschlossenen Richtlinien verfolgt Lettland eine ganzheitliche Strategie, die auf die digitale Infrastruktur, die digitale Bildung, den Ausbau des E-Government und den Aufbau einer IKT-Industrie (IKT: Informations- und Kommunikationstechnologie) abzielt und für die die Regierung im Zeitraum von 2014 bis 2020 insgesamt knapp 900 Millionen Euro bereitgestellt hat. Wesentlich ist, dass in der Arbeitsgruppe, die die „Guidelines“ erstellt hat, alle maßgeblichen Interessengruppen wie Ministerien, Wirtschaftskammern und IKT-Unternehmen vertreten waren.

Lettland hat mit einer ganzheitlichen Strategie unter anderem die digitalen Netzwerke stark ausgebaut.

Die digitale Infrastruktur spielt in dem Programm eine zentrale Rolle – schließlich fußt die Digitalisierung auf leistungsfähigen Kommunikationsnetzen. Entsprechend hat Lettland im Rahmen der „Guidelines“ unter anderem die Netze im ländlichen Raum auf den neuesten Stand gebracht. Ein Fokus lag darauf, Breitbandverbindungen auf der sogenannten letzten Meile einzurichten – also wirklich alle Haushalte anzuschließen. Mit Erfolg: Lettland landete in EU-Vergleichen zur Netzwerkinfrastruktur in den vergangenen Jahren stets auf einem der vorderen Plätze.

Grundsätzlich lässt sich der ganzheitliche Ansatz der „Guidelines“ gut auf Deutschland übertragen. Allerdings konnte Lettland stark auf Fördermittel der EU zurückgreifen – die Bundesregierung müsste die Mittel zu einem viel größeren Teil selbst aufbringen. Außerdem ist Deutschland föderal organisiert, was die Durchführung einer bundesweiten Digitalisierungsstrategie komplexer macht.

Digitale Bildung: „Skills to Advance“ (Irland). Dieses von der EU als vorbildlich bewertete Programm bietet Qualifizierungs- und Umschulungskurse mit dem Schwerpunkt auf digitaler Bildung. Dabei sprechen zum einen die 16 zuständigen regionalen Bildungseinrichtungen gezielt Arbeitnehmer an, die entsprechenden Weiterbildungsbedarf haben. Das sind beispielsweise Geringqualifizierte und über 50-jährige Beschäftigte, die zur Ausübung ihrer Tätigkeiten (zusätzliche) digitale Kenntnisse benötigen. Die angebotenen Kurse finden teils online, teils in Präsenz statt und sind zeitlich flexibel organisiert, sodass eine Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit möglich ist.

Zum anderen unterstützt „Skills to Advance“ Unternehmen, deren eigene Kapazitäten zu gering sind, um in ausreichendem Maße Qualifizierungen durchzuführen. Das Programm bietet den Firmen Beratung und Schulungen an, dabei trägt der irische Staat je nach Unternehmensgröße bis zu 70 Prozent der Kosten. Insgesamt gab Irland für das Programm beispielsweise im Haushaltsjahr 2020 bei 3.000 Teilnehmern 6,3 Millionen Euro aus.

Deutschland könnte dieses Konzept übernehmen, da die EU das Programm anerkannt hat und die erforderlichen Träger hierzulande vorhanden sind – infrage kämen etwa die Berufs- oder die Volkshochschulen.

E-Government: „FranceConnect“ (Frankreich). Das im Jahr 2014 beschlossene Projekt ermöglicht es den Bürgern Frankreichs, mit nur einer Registrierung bei der Post, anderen staatlichen Einrichtungen oder auch Banken auf eine Vielzahl öffentlicher Dienstleistungen zuzugreifen. Inzwischen lassen sich über „FranceConnect“ mehr als 1.400 Verwaltungsvorgänge öffentlicher Dienste online abwickeln – beispielsweise im Bereich Steuern, Sozialversicherung oder Bildung. Gut 43 Millionen Menschen in Frankreich nutzen mittlerweile die Vorteile dieser Plattform.

Deutschland könnte sich diese zum Vorbild nehmen, statt weiterhin auf „BundID“ als staatliche Insellösung zu setzen – dort waren im Juli 2024 lediglich 4,1 Millionen Bundesbürger angemeldet.

IKT-Industrie und Anwendungsförderung: „Regulatory Sandbox“ (Vereinigtes Königreich). Mit einem sogenannten Reallabor – der „Regulatory Sandbox“ – ermöglicht es die britische Regierung seit 2016 Start-ups im Finanzsektor, ihre oftmals digitalen Geschäftsmodelle unter Aufsicht der UK Financial Conduct Authority (FCA) mit einem begrenzten Kundenkreis zu testen. Dabei kann das Unternehmen von Teilen der umfangreichen Regulierung in diesem Sektor befreit werden, wenn diese der Umsetzung des Geschäftsmodells entgegensteht. Im Reallabor erfolgreiche Start-ups waren bereits Anlass für die FCA, die regulatorischen Anforderungen für digitale Finanzdienstleistungen insgesamt zu flexibilisieren.

Studien belegen den Erfolg der „Regulatory Sandbox“. Von den 24 Firmen, die die FCA als Erste für das Reallabor zuließ, waren drei Viertel auch zwei Jahre später noch am Markt aktiv. Einige EU-Länder wie etwa Österreich haben das Konzept übernommen – mit der Finanzmarktgesetzgebung der EU ist es demnach grundsätzlich vereinbar. Deshalb könnte die „Regulatory Sandbox“ auch für Deutschland ein Weg sein, digitale Unternehmensideen in stark regulierten Bereichen wie dem Finanzsektor zu fördern.

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