Die Bürger reden mit
Vom 22. bis zum 25. Mai wählen die Bürger der inzwischen 28 EU-Staaten zum achten Mal das Europäische Parlament. Bei der vergangenen Wahl war die Beteiligung ziemlich mau. Dabei haben die in Brüssel und Straßburg tagenden Parlamentarier inzwischen bei wichtigen Themen ein entscheidendes Wörtchen mitzureden – auch bei einer herausragenden Personalie.
- Vom 22. bis zum 25. Mai wählen die Bürger der inzwischen 28 EU-Staaten zum achten Mal das Europäische Parlament.
- Bei der Wahl für das Amt des Kommissionspräsidenten soll als Erstes über jenen Kandidaten abgestimmt werden, der von der Partei mit den meisten Sitzen im Europäischen Parlament unterstützt wird.
- Statt in zuvor 45 Bereichen können seit 2009 in 85 Bereichen Beschlüsse, Richtlinien und Verordnungen der EU nur dann in Kraft treten, wenn auch das Europäische Parlament zustimmt.
Jean-Claude Juncker und Martin Schulz – im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament tauchen zwei Gesichter besonders häufig in den Medien auf. Das hat durchaus seinen Grund: Zum ersten Mal könnten die rund 400 Millionen Wahlberechtigten beim Urnengang indirekt auch über den künftigen Präsidenten der EU-Kommission entscheiden.
Grundlage hierfür ist der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon. Zwar schlägt demnach weiterhin der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs den künftigen Kommissionspräsidenten vor, der dann der Zustimmung der EU-Parlamentsmehrheit bedarf. Neu ist aber, dass der Rat bei seinem Vorschlag das Ergebnis der Europawahlen berücksichtigen soll. Ob sich die Staats- und Regierungschefs daran halten, bleibt zwar abzuwarten, die Forderung der Parlamentsabgeordneten ist jedoch klar:
Bei der Wahl für das Amt des Kommissionspräsidenten soll als Erstes über jenen Kandidaten abgestimmt werden, der von der Partei mit den meisten Sitzen im Europäischen Parlament unterstützt wird.
Entsprechend stark bewerben die europäischen Parteien (Kasten) ihre Spitzenkandidaten. So hat die Europäische Volkspartei (EVP), die derzeit die größte Parlamentsfraktion stellt, den früheren luxemburgischen Premier Jean-Claude Juncker nominiert. Die europäischen Sozialdemokraten (PES) schicken den aktuellen Präsidenten des Europäischen Parlaments ins Rennen, den Deutschen Martin Schulz.
Diese Personifizierung soll auch das Interesse der Europäer an der Wahl steigern. Und das ist bitter nötig, denn an der vergangenen Abstimmung im Jahr 2009 haben sich europaweit nur 43 Prozent der Bürger beteiligt. Bei der ersten Direktwahl 1979 hatten noch 62 Prozent der Stimmberechtigten ihr Kreuzchen gemacht.
Dabei hat das Europäische Parlament inzwischen nicht nur in Sachen europäisches Führungspersonal mehr zu sagen. Auch inhaltlich ist der Einfluss durch den Vertrag von Lissabon erneut gewachsen:
Statt in zuvor 45 Bereichen können seit 2009 in 85 Bereichen Beschlüsse, Richtlinien und Verordnungen der EU nur dann in Kraft treten, wenn auch das Europäische Parlament zustimmt.
Dieses sogenannte ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist etwa bei Regelungen anzuwenden, die den Binnenmarkt, den Verbraucherschutz, die Umweltpolitik sowie Teile der Energie- und der Sozialpolitik betreffen. Auch in der Handelspolitik kann das Parlament jetzt mitentscheiden – zum Beispiel über das zwischen der EU und den USA diskutierte Freihandelsabkommen.
Da es im Europäischen Parlament keine Regierung und Opposition gibt, wird es wohl auch künftig je nach Abstimmungsthema wechselnde Koalitionen geben. Allerdings ist innerhalb der meisten Fraktionen der Zusammenhalt groß – in den vergangenen Jahren stimmten jeweils mehr als 90 Prozent der Grünen, der Christdemokraten und der Sozialdemokraten geschlossen ab (Grafik).
Im künftigen Europäischen Parlament werden 751 Abgeordnete die Interessen der EU-Bürger vertreten. Dabei folgt die Verteilung der Sitze auf die Mitgliedsstaaten dem Prinzip der „degressiven Proportionalität“. Demzufolge sind kleine Länder deutlich stärker repräsentiert als große (Grafik):
Während 1 Abgeordneter aus Malta 70.000 seiner Landsleute vertritt, steht jeder einzelne Parlamentarier aus Deutschland für 854.000 seiner Landsleute.
Dieses Ungleichgewicht hat jedoch einen Grund. Wäre die Relation von Abgeordneten zur Bevölkerung für alle Länder gleich, könnte entweder das Parlament aufgrund seiner Größe nicht mehr effizient arbeiten – oder kleine Mitgliedsstaaten wären kaum mehr vertreten.
Europäische Parteien
Um als „politische Partei auf europäischer Ebene“ gemäß EU-Vertrag anerkannt zu werden, muss eine Organisation unter anderem in mindestens einem Viertel der EU-Länder mit Abgeordneten zum Europäischen Parlament oder zu den nationalen Parlamenten vertreten sein. Unter diesen Voraussetzungen können die Parteien auf Antrag auch Geld aus Brüssel – sogenannte Betriebskostenzuschüsse – bekommen. Im Haushaltsjahr 2014 stehen dafür EU-weit knapp 28 Millionen Euro zur Verfügung, wobei die Verteilung des Geldes sich vor allem nach der Stärke der Parteien im EU-Parlament richtet.