Der Drache wird langsamer
Trotz leichter konjunktureller Abkühlung bleibt die chinesische Volkswirtschaft ein wichtiger Motor für das Weltwirtschaftswachstum. Dank der rasanten Entwicklung ist das Reich der Mitte mittlerweile zu einem der wichtigsten deutschen Handelspartner geworden.
- Trotz leichter konjunktureller Abkühlung bleibt die chinesische Volkswirtschaft ein wichtiger Motor für das Weltwirtschaftswachstum.
- Dank der rasanten Entwicklung ist das Reich der Mitte mittlerweile zu einem der wichtigsten deutschen Handelspartner geworden.
- Gut 6 Prozent der deutschen Exporte gingen 2011 nach China.
Im Jahr 2012 ist die chinesische Wirtschaft so wenig gewachsen wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr: Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte um 7,8 Prozent zulegen (Grafik). Die Regierung hatte bereits im März das Wachstumsziel für 2012 von 8,0 auf 7,5 Prozent revidiert.
Seit Mitte 2011 kühlt das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt immer mehr ab. Ein Grund dafür ist die stagnierende globale Konjunktur. Außerdem steigen auch in China die Arbeitskosten.
Nichtsdestotrotz – eine echte Krise ist nicht in Sicht. Die Geldpolitik ist auf Lockerungskurs, begünstigt durch sinkende Inflationsraten. Um dem erlahmenden Wachstum entgegenzuwirken, plant die Regierung zudem erneut ein Konjunkturpaket mit einer Reihe von Infrastrukturprojekten. Diese Politik soll so lange fortgeführt werden, bis sich der eingeschlagene Kurs stabilisiert.
Zwar sind Wachstumsraten zwischen 7 und 8 Prozent für chinesische Verhältnisse eher schwach, im internationalen Vergleich sind sie aber schwer zu übertreffen. Somit wird die chinesische Volkswirtschaft weiterhin eine der wichtigsten Triebkräfte für das weltweite Wirtschaftswachstum bleiben.
Auch Deutschland, vor allem der Exportsektor, profitiert vom Aufholprozess der Volksrepublik. Während die gesamten Ausfuhren deutscher Unternehmen seit 1999 jährlich um durchschnittlich 7 Prozent gewachsen sind, konnten die Exporte nach China im selben Zeitraum um knapp 21 Prozent pro Jahr zulegen. Somit ist China mittlerweile einer der wichtigsten Abnehmer für deutsche Produkte weltweit (Grafik):
Gut 6 Prozent der deutschen Exporte gingen 2011 nach China.
Wenn dieses Wachstum weitergeht, wird das Land künftig neben Frankreich zum wichtigsten Exportmarkt für die Bundesrepublik.
Die Chinesen schätzen besonders die Erzeugnisse der deutschen Maschinenbauindustrie und des Fahrzeugbaus (Grafik Seite 5). Durch das investitionsfreudige Klima und die gute Reputation deutscher Produkte entfällt etwa ein Drittel der chinesischen Importe aus Deutschland auf Investitionsgüter, zum Beispiel auf Produktionsanlagen. Darüber hinaus liefern deutsche Exporteure eine Reihe von Vorleistungsgütern für die chinesische Industrie.
Auch die deutsche Automobilindustrie freut sich über die rasante wirtschaftliche Entwicklung in China. Der Wert der nach China exportierten Pkws stieg von 161 Millionen Euro im Jahr 2000 auf knapp 12 Milliarden Euro im Jahr 2011. In Krisenzeiten hat sich der chinesische Markt als sicherer Hafen für die deutschen Hersteller erwiesen:
Allein seit Ausbruch der aktuellen Wirtschaftskrise verdoppelte sich der Wert der nach China exportierten Pkws nahezu.
Umgekehrt erfreuen sich chinesische Produkte auch einer großen Beliebtheit in Deutschland (Grafik):
Mit knapp 80 Milliarden Euro im Jahr 2011 belegten die Importe aus China den zweiten Platz nach den Einfuhren aus den Niederlanden.
Es dürfte wenig überraschen, wenn die Volksrepublik in Zukunft zum wichtigsten deutschen Importeur aufsteigt.
Allerdings bleibt ein bitterer Beigeschmack: Der ungebrochene Wachstumskurs der chinesischen Exporte und die Beliebtheit chinesischer Produkte auf dem Weltmarkt sind nicht zuletzt auf die umstrittene Wechselkursfixierung des chinesischen Yuan zurückzuführen. Immerhin: Aufgrund des internationalen Drucks wurde der Yuan in den vergangenen Jahren stark aufgewertet (Kasten Nachgefragt).
China und der Wechselkurs
Nachgefragt bei Galina Kolev, Referentin im Bereich Außenwirtschaft im Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Wieso hat die chinesische Regierung den Yuan in den vergangenen Jahren aufgewertet?
Aufgrund des lange Zeit sehr großen Leistungsbilanzüberschusses stand die Regierung in Peking schon vor 2005 unter einem starken politischen Druck. Ihr wurde vor allem von den USA vorgeworfen, die Währung künstlich niedrig zu halten und eine Aufwertung zu verhindern, um die Attraktivität der chinesischen Exporte nicht zu beeinträchtigen. Ab 2005 hat die chinesische Regierung dann dem internationalen Druck nachgegeben und den Yuan langsam aufgewertet. Eine Aufwertung bringt aber auch Vorteile mit sich: Importierte Vorleistungen und Kapitalgüter werden billiger, was das kapitalintensive Wirtschaftswachstum unterstützt und die Inflation dämpft.
Jetzt wird wieder abgewertet, warum?
Die chinesische Handelsbilanz hat sich verschlechtert – das Exportwachstum ist zurückgegangen und die Importe sind im Vergleich stark gestiegen. So hatte China Anfang 2012 zum ersten Mal seit langer Zeit zeitweise ein Handelsbilanzdefizit. Dadurch hat der Aufwertungsdruck nachgelassen. Auch wenn manch einer den Chinesen vorwirft, die Abwertung sei künstlich, ist sie zumindest teilweise eine natürliche Folge der Entwicklung in den vergangenen Monaten.
Wie reagieren die USA?
Die USA waren schon immer der Meinung, der Yuan sei unterbewertet und müsse aufgewertet werden. Die Amerikaner werfen den Chinesen vor, die Exporte dadurch künstlich antreiben zu wollen. Der US-Kongress hat daher den Chinesen immer wieder mit umfassenden Strafzöllen gedroht. Es melden sich nun wieder erste Stimmen, die die angedeutete Abwertung kritisieren.