Der deutsche Exportmotor schwächelt
Der deutsche Außenhandel hat in den vergangenen Jahren viel von seiner früheren Dynamik eingebüßt. Die Schwäche des Exportsektors, für die neben gestiegenen Kosten noch eine Reihe weiterer Faktoren verantwortlich ist, schlägt sich im Handel mit den Hauptzielländern wie auch in den wichtigsten Gütergruppen nieder.
- Von 2019 bis 2023 legten die deutschen Waren- und Dienstleistungsexporte im Schnitt nur noch um real 0,6 Prozent pro Jahr zu – von 2000 bis 2015 waren es noch 4,5 Prozent.
- Einer der Gründe dafür: Mit dem Rückgang der Exportperformance um gut 11 Prozent zwischen 2015 und 2024 landet Deutschland im Vergleich der OECD-Länder auf dem drittletzten Rang.
- Zudem sind die Ausfuhren in einen Großteil der wichtigsten Partnerländer zuletzt zurückgegangen.
Die deutsche Wirtschaft steckt tief in der Krise und der Außenhandel macht da keine Ausnahme. Im vergangenen Jahr verringerten sich die Warenausfuhren aus der Bundesrepublik um 1 Prozent auf knapp 1.560 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor war der Exportwert bereits um 1,2 Prozent gesunken.
Der einstmals so verlässliche Wachstumsmotor Export stottert aber nicht erst seit 2023. Das IW hat die Entwicklung genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse sind weitgehend eindeutig – und unerfreulich:
Exporte insgesamt
Schaut man auf die gesamte Zeitspanne seit der Jahrtausendwende, zeigt sich, dass die deutsche Exportdynamik schon seit Längerem nachgelassen hat (Grafik):
Von 2000 bis 2015 legten die deutschen Waren- und Dienstleistungsexporte im Schnitt um real 4,5 Prozent pro Jahr zu – von 2015 bis 2019 waren es noch 2,6 Prozent, danach gerade einmal 0,6 Prozent.
Zwar fällt in die Periode von 2019 bis 2023 die Coronapandemie – aber eben auch die Phase, in der sich die Wirtschaft wieder erholte. Dennoch fand der Exportsektor nicht zu früheren Zuwachsraten zurück.
Damit verlor der Export immer mehr die Kraft, die deutsche Wirtschaft anzutreiben. Trugen die preisbereinigten Ausfuhren im Schnitt der Jahre 2000 bis 2015 schätzungsweise 1,8 Prozentpunkte zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts bei, waren es nach 2019 lediglich noch 0,3 Prozentpunkte.
Wettbewerbsfähigkeit
Eine naheliegende Erklärung für die verringerte Exportdynamik ist, dass die deutsche Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Dies zu messen, ist allerdings nicht einfach. Einer der gängigen Indikatoren ist die sogenannte Exportperformance. Sie gibt an, wie sich die Ausfuhren eines Landes in Relation zu den gesamten Importen seiner Zielmärkte entwickeln. Legen die Exporte des betrachteten Landes beispielsweise nur schwach zu, obwohl alle belieferten Länder ihre Importe aus anderen Staaten kräftig steigern, sinkt die Exportperformance.
Und tatsächlich zeigt der Trend für Deutschland nach unten: Wuchsen die realen deutschen Exporte von 2000 bis 2015 mit jahresdurchschnittlich 4,5 Prozent noch etwa in gleichem Maß wie die Exportzielmärkte, klaffte die Entwicklung danach auseinander. Von 2015 bis 2024 konnte Deutschland seine Waren- und Dienstleistungsexporte nach OECD-Daten im Schnitt nur um 1,5 Prozent pro Jahr steigern, obwohl das Importvolumen der Zielmärkte um jährlich 2,8 Prozent wuchs.
Die deutsche Exportperformance verschlechterte sich entsprechend – und das in einem besorgniserregenden Ausmaß (Grafik):
Mit dem Rückgang der Exportperformance um gut 11 Prozent zwischen 2015 und 2024 landet Deutschland im Vergleich der OECD-Länder auf dem drittletzten Rang.
Nur das Vereinigte Königreich und Kanada schneiden noch schlechter ab, während Wettbewerber wie China oder Indien ihre Exportperformance um teils mehr als 40 Prozent steigern konnten.
Von 2019 bis 2023 legten die deutschen Waren- und Dienstleistungsexporte im Schnitt nur noch um real 0,6 Prozent pro Jahr zu – von 2000 bis 2015 waren es noch 4,5 Prozent.
Hinter der rückläufigen deutschen Exportperformance steckt zum einen, dass Produkte made in Germany gegenüber der ausländischen Konkurrenz in den vergangenen Jahren tendenziell teurer geworden sind.
Zum anderen könnten aber auch nicht-preisliche Faktoren – wie beispielsweise die zunehmende Bürokratie, der Fachkräftemangel oder Infrastrukturmängel – den deutschen Exportsektor gebremst haben. Für diese These spricht das jährliche Wettbewerbsfähigkeits-Ranking des International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne. In diesem mit 336 Indikatoren breit aufgestellten Vergleich von 67 Ländern hat Deutschland zuletzt deutlich an Boden verloren:
Von Platz sechs im Jahr 2014 rutschte Deutschland im IMD-Ranking bis 2024 auf Position 24 ab.
Nur am Ende der wirtschaftlichen Stagnationsphase Mitte der 2000er Jahre war die Bundesrepublik schon einmal ähnlich schlecht platziert.
Exportziele und -produkte
Die Erosion der deutschen Exportstärke zeigt sich nicht zuletzt an den Ausfuhren in die wichtigsten Partnerländer. Zwar blieben die Verkäufe an den Handelspartner Nummer eins, die USA, seit 2015 auf einem stabilen Wachstumskurs, die Ausfuhren in andere Länder verloren dagegen deutlich an Dynamik (Grafik):
Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate der nominalen deutschen Exporte nach China war im Zeitraum von 2015 bis 2023 rund 10 Prozentpunkte niedriger als von 2000 bis 2015.
Auch die Lieferungen nach Polen, Tschechien und Frankreich legten zuletzt merklich langsamer zu. Die Exporte ins Vereinigte Königreich sind seit 2015 im jährlichen Schnitt sogar um 1,6 Prozent geschrumpft – der Brexit hat hier seine Spuren hinterlassen.
Schaut man auf die realen Exportmengen und klammert damit die teils starken Preisanstiege der Jahre nach 2015 aus, fällt die Bilanz noch negativer aus:
Im Schnitt der Jahre 2015 bis 2023 sind Deutschlands Lieferungen an sieben seiner wichtigsten Handelspartner zurückgegangen – neben dem Vereinigten Königreich galt dies für Frankreich, die Niederlande, China, Italien, die Schweiz und Belgien.
Unabhängig vom Zielland hat sich das Exportwachstum vor allem bei den für die Gesamtausfuhren wichtigsten Gütergruppen – Kraftwagen und -teile, Maschinen sowie chemische Erzeugnisse – verlangsamt. Doch auch der Auslandsabsatz von pharmazeutischen Produkten, Gummi- und Kunststoffwaren sowie Metallerzeugnissen hat im Zeitraum 2015 bis 2023 gegenüber den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende erheblich an Schwung verloren.