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Das Ringen um Arbeitskräfte

Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist angespannt – aber nicht für Arbeitnehmer, sondern für Arbeitgeber. Denn die Engpässe in bestimmten Berufen und Regionen haben deutlich zugenommen, allen voran in technischen und sozialen Bereichen. Am stärksten ist auch weiterhin der Süden Deutschlands betroffen. Unternehmen müssen sich daher stärker um Fachkräfte mit begehrten Qualifikationen bemühen – zum Beispiel mit einer attraktiven Arbeitgebermarke.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist in vielen Regionen der Bundesrepublik so groß, dass sich Bewerber den attraktivsten Arbeitgeber quasi aussuchen können.
  • Während Ende 2010 deutschlandweit 25 Prozent aller offenen Stellen in sogenannten Engpassberufen ausgeschrieben waren, galt dies Mitte 2019 bereits für rund 80 Prozent.
  • Unternehmen müssen sich daher stärker um Fachkräfte mit begehrten Qualifikationen bemühen, zum Beispiel mit einer attraktiven Arbeitgebermarke.
Zur detaillierten Fassung

Informatiker, Krankenpfleger, Elektroniker – bestimmte Berufe sind auf dem Stellenmarkt zu Dauerausschreibungen geworden. Doch nicht nur die typischen Mangelberufe haben Nachwuchsprobleme – rund 80 Prozent aller offenen Stellen waren Mitte 2019 in sogenannten Engpassberufen ausgeschrieben. Damit hat sich der Arbeitsmarkt zu einem regelrechten Bewerbermarkt entwickelt. Zur Erinnerung: Ende 2010 betrug die sogenannte Engpassquote deutschlandweit noch 25 Prozent.

Demnach ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in vielen Regionen der Bundesrepublik so groß, dass sich Bewerber in Engpassberufen den attraktivsten Arbeitgeber quasi aussuchen können (Grafik). Ein Beispiel:

In der Region um Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg sind 93 Prozent aller offenen Stellen in Engpassberufen ausgeschrieben.

So viel Prozent der gemeldeten offenen Stellen entfielen im Juni 2019 auf Engpassberufe Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt müssen Arbeitgeber im Süden besonders stark um neue Mitarbeiter buhlen. Doch auch in Ostdeutschland hat sich der Fachkräftemangel in den vergangenen Jahren deutlich verschärft: In Thüringen waren Ende 2010 nur 24 Prozent aller Stellen in Engpassberufen ausgeschrieben – bis zum Juni 2019 hat sich diese Zahl mehr als verdreifacht. Die wenigsten Schwierigkeiten hat dagegen die Hauptstadt:

In Berlin Süd entfielen 2019 gerade einmal 35 Prozent der offenen Stellen auf knappe Berufe.

Grund für die höhere Engpassquote ist sowohl die gestiegene Zahl offener Stellen als auch die sinkende Zahl qualifizierter Arbeitsloser. Dabei gibt es – unabhängig von Studium oder Ausbildung – Engpässe auf allen Qualifikationsniveaus: Rund 82 Prozent der Stellen für Spezialisten mit Meister-, Techniker- oder Fachschulabschluss beziehungsweise Bachelorabsolventen ohne Berufserfahrung waren 2019 in Engpassberufen ausgeschrieben. Fast ebenso hoch war der Anteil bei Fachkräften mit mindestens zweijähriger Berufsausbildung. Zudem zählten rund 69 Prozent der Stellen für Experten mit Master- oder Diplomstudium zu den knappen Berufen.

Im Vergleich der Wirtschaftsbereiche hat die medizinische Gesundheitsbranche deutschlandweit die größten Mangelerscheinungen, allen voran die Alten- und Krankenpflege sowie die Physiotherapie: In 152 von 156 Regionen zählen über 90 Prozent der Stellen im Gesundheitsbereich zu den Engpassberufen.

Fachkräfte fehlen in der Logistik und im Tiefbau

Ein ähnliches Problem existiert in der Logistik. Denn der Boom im Online-Handel in den vergangenen Jahren hat auch zu mehr Güterverkehr auf den Straßen der Bundesrepublik geführt. Dennoch gibt es kaum Nachwuchs bei den Berufskraftfahrern. Seit 2010 ist die Zahl der Brummifahrer so stark gesunken, dass mittlerweile ein akuter Mangel herrscht (Grafik):

Mitte 2019 kamen lediglich 82 arbeitslose Lkw-Fahrer auf jeweils 100 offene Stellen – Ende 2010 waren es noch 706.

Auf 100 gemeldete Stellen kommen so viele Arbeitslose in den jeweiligen Berufen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ähnlich schwierig ist die Lage bei den Fachkräften im Tiefbau, ohne deren Einsatz keine Straßen und Tunnel gebaut werden können. Auch ihre Zahl ist deutlich geschrumpft:

Mitte 2019 standen gerade einmal 51 arbeitslose Tiefbau-Fachkräfte für 100 gemeldete Stellen zur Verfügung – im Dezember 2010 waren es noch 898.

Weniger Besetzungsprobleme gibt es hingegen bei den Kaufleuten. Auf dem Arbeitsmarkt sind deutschlandweit rechnerisch 447 arbeitslose Büro- und Sekretariatsfachkräfte für je 100 gemeldete Stellen verfügbar. Warum? Die Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement ist landauf, landab der beliebteste Ausbildungsberuf.

Attraktivität und eine starke Arbeitgebermarke sind derzeit das Nonplusultra für Unternehmen auf Personalsuche.

Wer jedoch Fachkräfte mit Ausbildung in Sanitärtechnik, Rohrleitungsbau oder Bahn-Betriebsdienst sucht, muss schon ein besonders attraktiver Arbeitgeber sein – denn in diesen Engpassberufen kommen derzeit weniger als 40 Arbeitslose auf jeweils 100 offene Stellen. Attraktivität ist demnach das Nonplusultra für Unternehmen auf Personalsuche. Viele Betriebe können Stellen nur zeitverzögert oder gar nicht besetzen und müssen einen hohen Rekrutierungsaufwand betreiben. Besonders wirkungsvoll ist dabei eine starke Arbeitgebermarke, die Unternehmen durch einen strategischen Employer-Branding-Prozess aufbauen können (eine Anleitung erhalten Unternehmen beim KOFA (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung). Die Erkenntnisse daraus können für ein besseres Arbeitsklima sorgen und die Mitarbeiterbindung erhöhen.

Unternehmen müssen außerdem in stärkerem Maße als bisher mit ihren Leistungen für Arbeitnehmer werben. Ein Pluspunkt sind zum Beispiel flexible Arbeitszeiten. Erfolg versprechend für die Rekrutierung werden diese jedoch erst durch eine passgenaue Ansprache: Für eine Pflegefachkraft ist es beispielsweise wichtig, dass sie an der Schichtplanung beteiligt wird. Für einen Softwareentwickler ist es dagegen interessanter zu wissen, ob sich Arbeitszeit und -ort flexibel gestalten lassen.

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