Das Aufreger-Abkommen
Soll das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen Europa und den USA eine Investitionsschutzklausel enthalten oder nicht? Diese Frage wird derzeit höchst kontrovers diskutiert, viele Fakten sprechen allerdings für die Aufnahme der Klausel.
- Soll das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen Europa und den USA eine Investitionsschutzklausel enthalten oder nicht?
- Investitionsschutzklauseln sollen dafür sorgen, dass Firmen im Ausland nicht diskriminiert oder kompensationslos enteignet werden.
- Seit einigen Jahren stehen Investitionsschutzabkommen vermehrt in der öffentlichen Kritik – weil es ihnen mitunter an Transparenz mangelt.
Er ist nur ein Teil des geplanten Freihandelsabkommens TTIP, das die EU und die USA derzeit miteinander aushandeln, doch er sorgt für mächtig Stimmung: der Investorenschutz. Die EU-Kommission hat das Thema wegen der zahlreichen Proteste in den laufenden TTIP-Verhandlungen zwischenzeitlich sogar ausgeklammert und allen EU-Bürgern die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum 13. Juli online dazu zu äußern (http://trade.ec.europa.eu/consultations).
Investitionsschutzklauseln sollen dafür sorgen, dass Firmen im Ausland nicht diskriminiert oder kompensationslos enteignet werden. Geschieht das doch, können sie gerichtlich gegen den entsprechenden Staat vorgehen. Dafür braucht das Unternehmen nicht die gerichtlichen Instanzen des Ziellands einzuschalten, es kann direkt vor einem internationalen Schiedsgericht klagen. In den vergangenen 35 Jahren ist die Zahl der Investitionsschutzabkommen stark gestiegen (Grafik):
1980 gab es erst 18 Abkommen, heute sind es mehr als 3.300, oft handelt es sich dabei um bilaterale Verträge zwischen zwei Staaten.
Deutschland war übrigens das erste Land, das ein solches Abkommen schloss: Das war 1959, Vertragspartner war Pakistan. Damals sicherten sich deutsche Investoren gegen die Willkür der pakistanischen Politik und Rechtsprechung ab.
Dass sich Betriebe, die in einem Entwicklungsland investieren und damit erhebliche Risiken eingehen, absichern wollen, ist legitim. Warum aber sollten solche Schutzklauseln in ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und Amerika gehören – zwei Länder, an deren Rechtsstaatlichkeit eher wenig Zweifel bestehen?
Dafür gibt es gute Gründe. Ein besonders wichtiger ist, dass das transatlantische Investitionsabkommen Vorbildcharakter haben soll. Seit einigen Jahren stehen Investitionsschutzabkommen vermehrt in der öffentlichen Kritik – weil es ihnen mitunter an Transparenz mangelt, weil sie unsauber oder gar schwammig formuliert sind oder weil sie die staatliche Souveränität einschränken. Ein neues Abkommen, das all diese Schwachpunkte ausmerzt, könnte Standards setzen und als Vorlage für künftige Investitionsschutzverträge dienen.
Doch es gibt auch plausible wirtschaftliche Gründe für die Aufnahme des Investitionsschutzes in das TTIP. So regelt ein Investitionsschutzkapitel auch Fragen des Marktzugangs. In der amerikanischen Luft- und Schifffahrt, im Bergbau oder im Bankenwesen gibt es viele Barrieren. Nach amerikanischem Recht dürfen beispielsweise nur 25 Prozent der Stimmrechtsanteile von US-Fluggesellschaften von Ausländern gehalten werden. Hier einen besseren Zugang zu erhalten, ist für die europäischen Unternehmen von großer Bedeutung.
Aber auch die Amerikaner haben ein großes Interesse an dem Abkommen. Da die Rechtssysteme in Ländern wie Bulgarien, Polen oder Kroatien aus Sicht der USA weniger verlässlich sind als die in Deutschland oder Frankreich, sind die Vereinigten Staaten verständlicherweise daran interessiert, für ihre Investoren eine möglichst hohe Rechtssicherheit in allen europäischen Ländern zu erzielen. Auch Deutschland hat bilaterale Investitionsschutzabkommen mit EU-Staaten geschlossen – etwa mit Polen, Slowenien oder den baltischen Staaten.
Übrigens: Fast die Hälfte aller Klagen, die 2012 weltweit erhoben wurden, stammen von Unternehmen aus Europa (Grafik). Deutsche Investoren, die in den USA tätig sind, hatten bislang noch keinen Grund, ein Schiedsgericht anzurufen. Da sich daraus aber keine Garantie für die Zukunft ableiten lässt, ist ein Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und den USA eine sinnvolle Sache.
Kontra
Michael Efler, Bundesvorstandsprecher Mehr Demokratie e.V., ist promovierter Sozialökonom. Seine Dissertation hat er über internationale Investitionsverträge geschrieben.
Ein Investitionsschutzkapitel im Rahmen des TTIP wird keine signifikanten positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen haben, es ist nicht notwendig und es stellt eine Gefahr für demokratische und rechtsstaatliche Standards dar. Bereits heute ist die Europäische Union das größte Zielland für US-amerikanische Auslandsinvestitionen - und umgekehrt. Der Bestand liegt bei jeweils über 1 Billion Euro. Investitionsbestände und -ströme lassen sich durch TTIP-Investitionsschutzregeln nicht entscheidend ausweiten, wie auch eine Studie der London School of Economics für Großbritannien festgestellt hat.
Investitionsschutzregeln sind zwischen den USA und der EU nicht notwendig. Beide Staaten haben ein positives Investitionsklima, die Verfassungen sichern Eigentumsrechte ab und es handelt sich um rechtsstaatliche Systeme mit einer effektiven Gerichtsbarkeit. Die wenigen Fälle einer vermeintlich diskriminierenden oder unfairen Behandlung von ausländischen Investoren in den USA, die die EU-Kommission nennt, waren bereits Gegenstand von Schiedsverfahren im Rahmen der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA. Die Schiedsgerichte fanden kein vertragswidriges Verhalten der USA; TTIP würde hier also nicht weiterhelfen.
Das TTIP soll laut dem - geheim gehaltenen, aber durchgesickerten - Verhandlungsmandat Investor-Staat-Schiedsverfahren enthalten. Diese würden es ausschließlich ausländischen Investoren ermöglichen, vor intransparent arbeitenden Schiedsgerichten hohe Schadenersatzforderungen zu fordern und häufig auch zu erhalten - als Kompensation für vermeintlich diskriminierende oder „unfaire“ Maßnahmen und Gesetze, und unter Umgehung staatlicher Gerichte. Diese Schiedsgerichte haben sich zu einer machtvollen Waffe für Großkonzerne entwickelt, um gegen ungeliebte Gesetzgebungen zu kämpfen. Der drohende oder umgesetzte Einsatz teurer Schadensersatzklagen setzt Regierungen unter Druck, bestimmte Maßnahmen gar nicht erst zu ergreifen oder umzusetzen.