Bundeshaushalt: Diskrepanz zwischen Plan und Wirklichkeit
Die Politik hat sich vorgenommen, den Bundeshaushalt stärker auf Zukunftsaufgaben auszurichten. Zwar sind die Ausgaben in wichtigen Themenfeldern in den vergangenen Jahren gestiegen. Ein beträchtlicher Teil der veranschlagten Gelder wird aber anderweitig eingesetzt.
- Der Staat gab 2023 für die Bereiche Mobilität, Klimaschutz, Digitalisierung, Bauen und Wohnen sowie Bildung und Forschung mehr als 100 Milliarden Euro aus.
- Aber: In keiner der fünf Kategorien wurde der zuvor festgelegte Sollwert erreicht.
- Rechnet man die ebenfalls für die Zukunft wichtigen Bereiche Umweltschutz und Verteidigung dazu, lagen die Ausgaben insgesamt um mehr als 21 Milliarden Euro unter dem Plan.
Digitalisierung vorantreiben, Infrastruktur instand setzen, Klimaschutz verbessern – die Liste der Aufgaben für Deutschland ist lang. Die Politik und in erster Linie die jeweilige Bundesregierung kann über den Bundeshaushalt Prioritäten und Schwerpunkte setzen und so die generelle Ausrichtung vorgeben. Inwiefern das geschieht, lässt sich auf den ersten Blick allerdings nicht beurteilen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat sich daher im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Bundeshaushalte der vergangenen Jahre genauer angesehen. Da der Bundeshaushalt nicht thematisch, sondern nach Ressorts unterteilt ist, haben die Forscher des IW zunächst Themenfelder – sogenannte Zukunftskategorien – zugeschnitten und dann die einzelnen Ausgabenposten entsprechend verortet. Das Ergebnis (Grafik):
Der Staat gab 2023 für die Bereiche Mobilität, Klimaschutz, Digitalisierung, Bauen und Wohnen sowie Bildung und Forschung mehr als 100 Milliarden Euro aus. Im Jahr 2014 lagen die Investitionen hierfür noch bei gut 45 Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr machten die Ausgaben für Mobilität fast die Hälfte des gesamten Zukunftsbudgets aus. Auf Platz zwei folgen die Investitionen in Bildung und Forschung. Im Zeitvergleich gab es in der Kategorie Klimaschutz einen großen Sprung: Innerhalb von neun Jahren stiegen die staatlichen Aufwendungen von knapp 3 Milliarden Euro auf mehr als 18 Milliarden Euro.
Angesichts der großen Abweichungen zwischen veranschlagten und tatsächlichen Ausgaben stellt sich die Frage, ob die Positionen im Bundeshaushalt realistisch sind oder ob die Politiker schon beim Planen davon ausgehen, dass die Maßnahmen nicht zu realisieren sind.
Es gibt allerdings ein großes Aber: Im Haushaltsplan für 2023 waren ursprünglich mehr als 30 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen. Auch in den anderen Zukunftskategorien gibt es große Diskrepanzen zwischen dem, was der Staat geplant hatte, und dem, was er am Ende wirklich ausgegeben hat (Grafik):
In die Digitalisierung hat der Staat im Zeitraum von 2021 bis 2023 jeweils zwischen 37 und 55 Prozent weniger investiert als im entsprechenden Haushaltsplan veranschlagt.
Im Jahr 2023 erreichte der Istwert in keiner der fünf Kategorien den zuvor festgelegten Sollwert. Rechnet man die ebenfalls für die Zukunft wichtigen Bereiche Umweltschutz und Verteidigung dazu, lagen die Ausgaben insgesamt um mehr als 21 Milliarden Euro unter dem Plan.
Einige Posten stechen besonders hervor. So beinhaltete der Bundeshaushalt 2022 für die Dekarbonisierung der Industrie 1,2 Milliarden Euro und 2023 sogar 2,2 Milliarden Euro, abgerufen wurden aber nur 9 beziehungsweise 36 Millionen Euro. Für den Ausbau der Ladeinfrastruktur waren im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden Euro eingestellt, lediglich 176 Millionen Euro flossen ab.
Angesichts der großen Abweichungen stellt sich die Frage, ob die Positionen im Haushalt realistisch sind oder ob die Politiker bereits beim Planen davon ausgehen, dass die Maßnahmen nicht zu realisieren sind. Das wiederum würde eine Alternativverwendung von Haushaltsmitteln ermöglichen.
Einen Hinweis auf eine mögliche Antwort liefern die globalen Minderausgaben im Haushalt. Der Bund verpflichtet sich dazu, einen bestimmten Betrag im Haushaltsvollzug einzusparen, sagt oder weiß aber noch nicht, wo genau. Im Jahr 2023 trugen die nicht abgerufenen Mittel in den Zukunftskategorien dazu bei, eine globale Minderausgabe von knapp 12 Milliarden Euro im Kernhaushalt auszugleichen. Die Bilanz für den Haushalt 2024, der insgesamt noch mehr Mittel für die Zukunftskategorien enthalten hat, wird im kommenden Jahr Aufschluss darüber geben, ob sich der Trend zu ungenutzten und anders eingesetzten Budgettöpfen fortsetzt oder sich die Planungen stärker der Realität annähern.