INSM-Bildungsmonitor 2023: Die Qualität nimmt ab
Wie steht es um das Bildungssystem in Deutschland? Nicht gut, zeigt die 20. Auflage des INSM-Bildungsmonitors. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Bildungsqualität in fast allen Bundesländern verschlechtert. Die Politik muss dringend eine Kehrtwende schaffen.
- Sachsen und Bayern liegen im Ranking des INSM-Bildungsmonitors 2023 vorn. Am schlechtesten schneiden Brandenburg, Berlin und Bremen ab.
- In fast allen Bundesländern hat sich die Bildungsqualität in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert. Besonders hapert es in den Bereichen Integration, Schulqualität und der Vermeidung von Bildungsarmut.
- Um ein zukunftsfähiges Bildungssystem sicherzustellen, muss die Politik durch bessere Bildungschancen Ungleichheiten reduzieren und neue Ungleichheiten vermeiden.
Wie es um das Bildungssystem in Deutschland bestellt ist, schaut sich das IW seit 2004 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft an. Die Forscherinnen und Forscher ermitteln die Fort- beziehungsweise Rückschritte in insgesamt 13 Handlungsfeldern mit 98 einzelnen Indikatoren und vergleichen diese zwischen den Bundesländern. Das diesjährige Ergebnis (Grafik):
Sachsen und Bayern liegen im Ranking des INSM-Bildungsmonitors vorn. Am schlechtesten schneiden Brandenburg, Berlin und Bremen ab.
Zusätzlich haben die Studienautoren einen Langzeitvergleich zum Bildungsmonitor 2013 gezogen. Der alarmierende Befund: In fast allen Bundesländern hat sich die Bildungsqualität in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert. Der gesamtdeutsche Punktedurchschnitt lag in diesem Jahr bei 47,1 Punkten und damit 2,5 Punkte unter dem Wert von 2013.
Nur das Saarland (+7,1 Punkte) und Hamburg (+5,4 Punkte) konnten sich in diesem Zeitraum nennenswert steigern. In Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen stagnierte das Bildungsniveau weitestgehend, in den restlichen elf Bundesländern ging es zurück. Am drastischsten fallen die Verluste in Baden-Württemberg (-9,6 Punkte), Bremen (-8,5 Punkte) sowie in Sachsen-Anhalt (-5,4 Punkte) aus.
Woran genau es hapert, zeigt sich, wenn man die Ergebnisse der einzelnen Handlungsfelder miteinander vergleicht (Grafik):
Während die Bundesländer bei der Internationalisierung, der Förderinfrastruktur und den Betreuungsbedingungen die größten Fortschritte gemacht haben, haben sie sich insbesondere in puncto Integration, Schulqualität und der Vermeidung von Bildungsarmut enorm verschlechtert.
So haben sich bundesweit zwar die Betreuungsrelationen verbessert – auf eine Lehrkraft kommen also weniger Kinder – und die Ganztagsinfrastruktur wurde ausgebaut, den insgesamt negativen Trend können diese Entwicklungen allerdings nicht aufhalten. Im Zehnjahresvergleich besonders verschlechtert hat sich die Bildung von Kindern aus Haushalten mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Haushalten, also jenen, in denen die Eltern keine abgeschlossene Berufsausbildung haben.
Zudem sprechen immer mehr Vorschulkinder zu Hause nicht Deutsch: Lag deren Anteil an allen Vorschulkindern im Jahr 2008 noch bei knapp 16 Prozent, waren es 2021 rund 5 Prozentpunkte mehr.
Wie es wieder aufwärts geht
Um ein zukunftsfähiges Bildungssystem sicherzustellen, muss die Politik zügig handeln. Das IW empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, die auf drei Ziele einzahlen:
Durch bessere Bildungschancen Ungleichheiten reduzieren. Um Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern und herkunftsbedingte Ungleichheiten abzubauen, muss die Schulqualität steigen. Dafür braucht es gezielte staatliche Investitionen. Sinnvoll wäre es, auf Grundlage eines Sozialindex zu entscheiden, wo wie viel investiert wird. So würden Schulen mit überdurchschnittlich großen Herausforderungen auch überdurchschnittlich unterstützt. Zudem sollte die frühkindliche Bildung – vor allem mit Blick auf die Sprachförderung – ausgebaut, die Autonomie der Schulen gestärkt und die Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besser geregelt werden.
Die Bildungsqualität in Deutschland hat laut dem IW-Bildungsmonitor in den vergangenen zehn Jahren abgenommen. Die größten Defizite gibt es in den Bereichen Schulqualität, Integration und der Vermeidung von Bildungsarmut.
Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, sollte die Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern ausgeweitet werden. Wichtig ist auch, das digital gestützte Lernen in der Lehrkräfteausbildung zu verankern und an den Schulen multiprofessionelle Teams aufzubauen – unter anderem mit IT-Experten.
Um Eltern gezielter zu unterstützen, ist der weitere Ausbau einer hochwertigen Ganztagsinfrastruktur sowie von Familienzentren an Kitas und Schulen essenziell. Der Staat sollte auch Mentoring- und Nachhilfeprogramme stärker fördern.
Neue Ungleichheiten vermeiden. Dafür muss die Regierung die digitale Infrastruktur an den Schulen weiter ausbauen sowie die Entwicklung und Verfügbarkeit digitaler Lehr- und Lernmaterialien im Unterricht steigern. Außerdem braucht es Konzepte, wie mit künstlicher Intelligenz umgegangen und in welcher Form sie in den Klassen genutzt wird. Um die IT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, sollte Informatik als eigenes Fach oder als Teil bestehender Fächer bundesweit in möglichst vielen Jahrgangsstufen verpflichtend unterrichtet werden.
Demokratische Kompetenzen vermitteln. In den Grundschulen kann dies als Teil des Sachunterrichts erfolgen, in der Sekundarstufe sollte die demokratische Bildung fächerübergreifend verankert sein. Dies sollte verbindlichen Zielen und Bildungsstandards auf Ebene der Kultusministerkonferenz folgen, durch regelmäßige Studien muss dabei ein systematisches Monitoring sichergestellt sein. Weil Weltoffenheit und vielfältige Perspektiven die zentrale Grundlage von Kreativität und Innovation sind, sollten sie im Unterricht eine stärkere Rolle spielen.