Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

Handelspolitik Lesezeit 1 Min.

Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur wäre ein starkes Signal

Seit mehr als 25 Jahren verhandelt die Europäische Union mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur über ein Freihandelsabkommen. Trotz aller Widerstände in Teilen Europas gilt es, zügig zu einem Vertragsabschluss zu kommen. Denn das Abkommen wäre für die EU nicht nur ökonomisch vorteilhaft, es würde auch ein starkes geopolitisches Signal senden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay könnten bei der Umsetzung der EU-Strategie für wirtschaftliche Sicherheit eine große Rolle spielen.
  • Seit 2000 ist der Anteil der EU am gesamten Außenhandel des Mercosur stark gesunken – auf nur noch 15 Prozent im Jahr 2023.
  • Der Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur würde dem Handel einen neuen Schub geben. Die EU-Exporte in die vier Mercosur-Staaten könnten bis 2040 um insgesamt 40 Milliarden Dollar steigen.
Zur detaillierten Fassung

Die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, das immer stärkere globale Machtstreben Chinas und weltweite Tendenzen weg von der Globalisierung hin zu protektionistischen Maßnahmen einzelner Länder – all dies hat die EU im vergangenen Jahr dazu bewogen, die Europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit ins Leben zu rufen.

Ziel ist es erstens, innovative Technologien und zukunftsorientierte Sektoren in der EU zu fördern. Zweitens will Brüssel stärker gegen unfaire Handelspraktiken von Drittstaaten vorgehen, um den Binnenmarkt zu schützen. Drittens geht es darum, Beschaffungs- und Absatzmärkte zu diversifizieren, um beispielsweise die Versorgung europäischer Unternehmen mit knappen Rohstoffen zu sichern.

Letzteres beinhaltet vor allem die Suche nach Partnern, mit denen die EU verstärkt Handel betreiben will – auch um den geoökonomischen und -politischen Einfluss von Staaten wie China zu verringern.

Würde das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten beschlossen, könnten die EU-Exporte nach Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay bis 2040 um insgesamt 40 Milliarden Dollar steigen.

Eine wichtige Rolle könnten hier die Mercosur-Staaten spielen. Diesem Wirtschaftsblock gehören derzeit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay an. Mit ihnen verhandelt die EU schon seit einem Vierteljahrhundert über ein Freihandelsabkommen (siehe "EU muss beim Freihandelsabkommen Tempo machen").

Dass hinsichtlich der wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Staaten dringender Handlungsbedarf besteht, lässt sich mit ein paar Zahlen verdeutlichen. So hat China seinen Anteil an allen Exporten und Importen des Mercosur von 2 Prozent im Jahr 2000 auf 24 Prozent im Jahr 2023 erhöht. Insgesamt betrug das chinesische Handelsvolumen mit den Mercosur-Staaten zuletzt 185 Milliarden Dollar.

Der Anteil der EU am gesamten Außenhandel des Mercosur hat sich dagegen seit dem Jahr 2000 von mehr als 31 auf nur noch 15 Prozent verringert – das Handelsvolumen lag im Jahr 2023 lediglich bei 117 Milliarden Dollar.

China ist demnach inzwischen der weitaus wichtigste Handelspartner für die Mercosur-Staaten, zumal diese allein mit dem Reich der Mitte einen Handelsbilanzüberschuss aufweisen (Grafik):

Im Handel mit China erzielten die Mitgliedsstaaten des Mercosur im Jahr 2023 einen Exportüberschuss von knapp 37 Milliarden Dollar – gegenüber der EU verbuchten sie dagegen ein Defizit von gut 12 Milliarden Dollar.

Daten zum Handel der Mercosur-Staaten mit den großen Wirtschaftsblöcken im Jahr 2023 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bei den meisten Produkten ist die EU für die Mercosur-Staaten lediglich ein Handelspartner unter vielen, während China als Absatzmarkt eine zentrale Bedeutung hat. Beispielsweise gehen mehr als 69 Prozent der Soja-Exporte des Mercosur sowie 64 Prozent der Eisenerz-Ausfuhren ins Reich der Mitte.

Die EU könnte ihre Position allerdings deutlich verbessern, wenn es ihr gelänge, das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur endlich unter Dach und Fach zu bringen. Nach jetzigem Verhandlungsstand würde das Abkommen die Zölle für 91 Prozent aller zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren über einen Zeitraum von maximal 15 Jahren nach und nach abschaffen. Zudem sollen Exportsteuern der Mercosur-Staaten wegfallen sowie sichere Rahmenbedingungen für gegenseitigen Handel und Investitionen etabliert werden. Damit würde es für die EU-Länder deutlich leichter, Zugang zu in Südamerika verfügbaren strategischen Rohstoffen wie Silizium, Kupfer und Nickel zu erhalten.

Das Abkommen dürfte folglich dem gegenseitigen Handel der beiden Wirtschaftsblöcke einen Schub geben, wie ein Schätzmodell zeigt (Grafik):

Würde das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten beschlossen, könnten die EU-Exporte nach Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay bis 2040 um insgesamt 40 Milliarden Dollar steigen.

Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten würde den Außenhandel der EU mit diesen Ländern bis 2040 wie folgt verändern Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die EU-Importe aus diesen Ländern würden kumuliert voraussichtlich um gut 14 Milliarden Dollar höher ausfallen als ohne das Abkommen. Das Bruttoinlandsprodukt der EU-Staaten könnte durch das Abkommen um mehr als 11 Milliarden Dollar beziehungsweise 0,06 Prozent wachsen. Dass dieser Effekt nicht höher ausfällt, liegt schlicht daran, dass der Handel mit den Mercosur-Staaten derzeit nur etwa 2,5 Prozent des gesamten EU-Außenhandels ausmacht.

Abkommen wäre geopolitisch bedeutsam

Doch nicht nur rein quantitativ verspräche das EU-Freihandelsabkommen mit dem Mercsour, ein Erfolg zu werden. Es würde auch unterstreichen, dass die EU ihre ausgerufene Strategie für wirtschaftliche Sicherheit ernst nimmt und auf die geopolitischen Entwicklungen zu reagieren vermag. Den Unternehmen in Europa würde zudem signalisiert, dass die EU glaubwürdig auf Marktoffenheit setzt. Mit dem Abbau von Handelsbarrieren würde sie auch wirksam gegen den Inflationsdruck bei Importgütern vorgehen.

All diese Vorzüge eines Abkommens sollten auch die Skeptiker überzeugen. Doch bis heute treten politische Kräfte in einigen EU-Ländern – vor allem in Frankreich – mit protektionistischen Forderungen bei den Verhandlungen mit dem Mercosur auf die Bremse. Ein baldiger Abschluss ist deshalb ungewiss – dabei kann sich die EU mit Blick auf die geopolitischen und -ökonomischen Verschiebungen und insbesondere die gebotene De-Risking-Strategie gegenüber China eine weitere Verzögerung eigentlich nicht leisten.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene