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Die Wirtschaft setzt auf künstliche Intelligenz

Der 2019 vom IW entwickelte KI-Monitor zeigt in diesem Jahr zwar ein dickes Plus. Allerdings geht der Fortschritt allein auf das Konto der Wirtschaft – die staatlichen Rahmenbedingungen für KI haben sich dagegen verschlechtert und das gesellschaftliche Interesse an dieser Schlüsseltechnologie ist gesunken.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der 2019 vom IW entwickelte KI-Monitor zeigt in diesem Jahr einen deutlichen Anstieg.
  • Das Plus betrifft allerdings nur die Kategorie Wirtschaft – in den beiden anderen Sparten Rahmenbedingungen und Gesellschaft gab es einen Rückgang.
  • Vor allem die Politik muss als Nachfrager und Nutzer von KI-Anwendungen vorangehen.
Zur detaillierten Fassung

Mit der künstlichen Intelligenz (KI) verbinden sich große Hoffnungen. Die Schlüsseltechnologie bietet nicht nur die Chance, innovative Anwendungen und Produkte zu entwickeln, sie soll und kann auch helfen, sogenannte Menschheitsaufgaben zu lösen – zum Beispiel den Umgang mit dem Klimawandel oder die Früherkennung von Pandemien.

Die positive Entwicklung des KI-Monitors geht vor allem auf das Konto der Wirtschaft.

Die IW-Studie definiert KI als „die Schaffung von (quasi) intelligenten Programmen und Maschinen, welche Entscheidungen selbstständig treffen und darauf basierend Handlungen ausführen können“. Grundlage für die Bewertung sind die drei Kategorien Rahmenbedingungen, Wirtschaft und Gesellschaft mit jeweils mehreren Indikatoren. Um die Entwicklung des KI-Monitors darstellen zu können, wurden die Ergebnisse des Basisjahres 2019 auf 100 normiert (siehe iwd 19/2020). Das Ergebnis (Grafik):

Der KI-Index hat sich von 2019 auf 2020 um 7 Punkte verbessert und ist von 2020 auf 2021 um weitere gut 16 Punkte gestiegen.

Status quo und Entwicklung der künstlichen Intelligenz in Deutschland, 2019=100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die insgesamt positive Entwicklung betrifft allerdings nicht alle drei Kategorien, sondern zum großen Teil nur die Wirtschaft – sie war und ist der Treiber der KI-Entwicklung in Deutschland. Schon im Jahr 2020 steuerte die Wirtschaft rund 5,4 Indexpunkte zum Gesamtanstieg von knapp 7 Punkten bei, im Jahr 2021 waren es sogar gut 17 Punkte – und damit mehr als der Gesamtanstieg von 16 Punkten. Das ist damit zu erklären, dass die anderen beiden Kategorien verloren haben; die Rahmenbedingungen verschlechterten sich um 0,3 Punkte, die gesellschaftlichen Indikatoren sogar um 0,7 Punkte.

Diese Rückgänge lassen sich jedoch auch auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückführen, wie die Auswertung der Einzelindikatoren zeigt:

Rahmenbedingungen. In dieser Kategorie geht es um fünf Themen, mit denen sich Wirtschaft und Gesellschaft im Kontext von KI konfrontiert sehen. Zwei Beispiele: Der Index für die digitale Infrastruktur, gemessen an der Breitbandverfügbarkeit von mehr als 100 Megabit pro Sekunde, hat sich im Vergleich zum Basisjahr 2019 um annähernd 30 Prozent verbessert. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass 23 Prozentpunkte davon bereits von 2019 auf 2020 erreicht wurden – von 2020 auf 2021 ist also nicht viel passiert.

Beim Indikator KI in Bundestagsprotokollen kommt Corona ins Spiel, denn dass die Schlüsseltechnologie im Bundestag 2020 wesentlich weniger thematisiert wurde, lag sicherlich daran, dass die Parlamentarier vor allem mit der Pandemie beschäftigt waren. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Noch immer gibt es in Deutschland politisch viel beim Thema KI zu tun.

Wirtschaft. In dieser Kategorie gibt es fünf Einzelindikatoren – und alle schneiden überdurchschnittlich gut ab. Verglichen mit dem Basisjahr 2019 hat der Indikator Einsatz von KI in Unternehmen den größten Sprung gemacht (Grafik):

Gaben im Jahr 2019 gerade einmal rund 10 Prozent der Unternehmen an, dass sie KI einsetzen, sind es inzwischen schon mehr als 21 Prozent.

So viel Prozent der Industrieunternehmen und der industrienahen Dienstleister in Deutschland setzten Verfahren der künstlichen Intelligenz ein Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die KI-Patentanmeldungen haben ebenfalls kräftig zugelegt – sie sind seit 2019 um gut 19 Prozent gestiegen. Dieser Trend spiegelt sich auch in den KI-Stellenanzeigen wider: Während 2019 nur 0,6 Prozent der Ausschreibungen auch KI-Kompetenzen verlangten, sind es mittlerweile gut die Hälfte mehr.

Gesellschaft. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger der künstlichen Intelligenz offen gegenüberstehen und entsprechende Produkte und Dienstleistungen nachfragen, kann die KI ihr volles Potenzial entfalten. Wie es um deren Akzeptanz steht, messen vier Indikatoren: Bekanntheit von KI in der Gesellschaft, KI in den Printmedien, KI auf Twitter und Google-Suchen nach KI.

Erfreulich ist, dass die Bekanntheit von KI in der Bevölkerung seit 2019 merklich gestiegen ist, was nicht zuletzt an den Printmedien liegen dürfte, die öfter über dieses Thema berichten. Dass die Kategorie Gesellschaft insgesamt trotzdem Punkte verloren hat, liegt vor allem am gesunkenen Suchinteresse auf Google: In der Pandemie wollten die Bundesbürger offenbar eher etwas über Inzidenzen und Impfstoffe wissen als über KI.

Was zu tun ist

Unter dem Strich erweisen sich im KI-Monitor 2021 – wie schon 2020 – die Rahmenbedingungen als Bremse. Deshalb gibt es viel zu tun. Insbesondere die Politik sollte vorangehen, indem der Staat selbst als Nachfrager und Nutzer von KI-Anwendungen auftritt und so entsprechende Signale sendet. Hilfreich wäre auch eine zurückhaltende Regulierung sowie mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen in Sachen Datennutzung und -schutz.

Der Wirtschaft ist angesichts des Fachkräftemangels zu raten, mehr eigene Mitarbeiter weiterzubilden, um den positiven Trend von KI im unternehmerischen Umfeld auch künftig fortsetzen zu können. Außerdem sollten die Unternehmen dabei unterstützt werden, potenzielle KI-Anwendungen zu identifizieren und entsprechende Projekte umzusetzen.

Auf gesellschaftlicher Ebene geht es vor allem darum, die künstliche Intelligenz zu erklären und sie so zu entmystifizieren. Ein Ethiklabel für KI-Systeme könnte dabei genauso helfen wie die Zertifizierung von hochriskanten KI-Systemen.

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